Deutsch-Linke diskutieren über Syrien: Ein Stellvertreterkrieg

Der Konflikt in Syrien eskaliert. Linke Nahost-Experten sehen die Verantwortung für den Bürgerkrieg bei jenen, die sich zu lange von der Opposition distanzierten.

Die angebliche Angst vor dem Bürgerkrieg führte zum Bürgerkrieg, meinen linke Nahost-Experten: Straßenszene aus Aleppo. Bild: reuters

„Europa und die USA haben immer wieder gewarnt: Wenn man in Syrien eingreift, könnte es zum Bürgerkrieg kommen“, erinnert sich Thomas von der Osten-Sacken. 16 Monate lang hatte die Staatengemeinschaft darauf gesetzt, dass Baschar al-Assad eine Eskalation verhindern könne. Nun ist passiert, was doch verhindert werden sollte: ein Bürgerkrieg, zunehmend befeuert von dschihadistischen Milizen.

Osten-Sacken, Sprecher des Vereins Wadi e.V., der Krisenhilfe vor allem im Irak organisiert, diskutierte am Donnerstag in Berlin auf Einladung der Zeitung Jungle World mit Hannah Wettig vom Solidaritätsbündnis für die syrische Revolution adopt a revolution und dem Kurdologen Siamend Hajo die Frage, wohin der Aufstand in Syrien führt.

„Der Nahe Osten befindet sich in einem kalten, manchmal heißen Stellvertreterkrieg.“ Explosiv ist vor allem der Konflikt zwischen der Türkei, Saudi-Arabien und dem Iran. So sei in jedem schiitisch-sunnitischen Konflikt Saudi-Arabien als Schutzmacht der Sunniten zur Stelle. Politische Proteste würden so zu konfessionellen und zwischenstaatlichen Konflikten umgewidmet.

Auch um die syrische Opposition ist es nicht gut bestellt. Der Nationalrat steht im Ruf, von Muslimbrüdern beherrscht zu sein. Neben ihnen galten bisher nur die Kurden als gut organisiert. „Man wollte verhindern, dass sich die Kurden mit der Opposition solidarisieren“, sagt Hajo. Assad arrangierte sich daher mit dem syrischen Arm der PKK. Nun stellt sich dieser schwer bewaffnet gegen die Assad-Gegner.

Schlüsselrolle im arabischen Frühling

Syrien kommt im Arabischen Frühling eine Schlüsselrolle zu. Der Sturz Assads würde auch dessen Verbündete schwächen. „Es wäre der härteste Schlag, den man dem Iran momentan zufügen kann“, meint Osten-Sacken. Dass das syrische Regime über große Mengen an Giftgas verfügt – das meiste aus deutscher Herstellung – macht die Situation noch brisanter.

Je länger der Konflikt andauert, desto einflussreicher werden die gut finanzierten Dschihadisten. „In einem Jahr gewinnen die Salafisten die Wahl“, prophezeit Hajo, was bis vor Kurzem undenkbar schien. Verantwortlich für die Radikalisierung sind nach Meinung des Podiums jene, die sich monatelang von der Opposition distanzierten und Assad die Stange hielten. Auch hierzulande galt das syrische Regime jahrzehntelang als säkulare Bastion.

Die Hoffnung haben die Experten aber nicht aufgegeben. Hajo glaubt, dass die oppositionelle Bewegung in Syrien den Einfluss von PKK und Iran auf die Region schwächen wird. „Die Gewinner des Arabischen Frühlings sind die Türkei und Israel“ – also Demokratien. Wie der Konflikt auch ausgehen wird, für den Nahen Osten ist dies eine gute Nachricht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.