Deutsch-französischer Kulturaustausch: Schöne Verschiebung

Auf die Globalisierung der Kunst reagiert ein Programm deutscher Kunstvereine und französischen Centres d'art mit Augenmaß und jungen Künstlern.

Wen kümmert es da, wenn das Bier nicht glamourös schmeckt? Bild: Claudia Mucha

Man kommt zur Tür rein und steht in einer riesigen kalten Halle. Ganz hinten in dieser Halle ist eine Bar - eine Bar, die mal in einem Berliner Club stand, "Rio" hieß er. Im Rio war es immer viel zu heiß und an seiner Tür kam man ganz oft gar nicht vorbei, weil dahinter Berlin-Mitte mit amerikanischen Kunststudenten, schicken schwedischen Röhrenjeansträgern und technobegeisterten Franzosen seine endgültige Internationalisierung feierte.

Mitte der nuller Jahre war das. Jetzt ist natürlich längst alles anders, das Rio geschlossen und seine Bar ein Kunstwerk. Zumindest einige ihrer Teile hat der Künstler Michael Riedel hier bei Le Confort Moderne, einem Centre dart im französischen Poitiers wiederaufgebaut.

Dass sie jetzt dort steht, diese Bar, in einer französischen Kleinstadt auf halber Strecke zwischen Paris und dem Atlantik, hat etwas mit Internationalisierung zu tun auf offiziellem kulturpolitischen Niveau. Denn Riedels Arbeit ist Teil der Ausstellung "Von A nach B, von B nach P/De A à B, de B à P" einem gemeinsamen Projekt von Le Confort Moderne und dem Bielefelder Kunstverein, das im Rahmen von "thermostat" stattfindet. "thermostat" ist ein Kunstaustauschprogramm, das die D.C.A, der Dachverband der französischen Centres dart und das Institut français in Berlin initiiert und organisiert haben.

Jenseits von Paris

Dieses ganze Schachteln von Orten, Rahmen und Bezügen lässt schon erahnen, worum es hier geht: natürlich um den globalisierten Kunstbetrieb; aber auch darum, mit "thermostat" ein Förderprogramm zu entwickeln, das sich mit ihm auf Augenhöhe befindet und versucht, die Zusammenarbeit zweier institutionell zwar verschiedenen, aber vergleichbaren nationalen Kunst-Strukturen zu intensivieren. Auf der einen Seite die deutschen Kunstvereine, Kinder des aufstrebenden Bürgertums des 19. Jahrhunderts und im föderalen Deutschland flächendeckend übers Land verteilt, auf der anderen Seite die französischen Centres dart, geboren größtenteils aus dem gegenkulturellen Geist der 1970er Jahre und durchaus als Reaktion auf den Pariser Kulturzentralismus zu verstehen.

Auch wenn die Entstehungsgeschichte beider Institutionen sehr unterschiedlich ist, ähneln sie sich doch in Anliegen, Funktion, aber auch ihren Problemen. Sie sichern eine Art Kunstgrundversorgung jenseits der Metropolen, sie kümmern sich in gesteigerten Maß um Vermittlung, dort wo zeitgenössische Kunst nicht direkt zum Alltag gehört, und bieten jungen Künstlern eine Chance auf erste institutionelle Ausstellungen. Und beide kämpfen gegen die Übermacht der jeweiligen Metropole, die einen immer noch, die anderen gerade wieder.

24 Centres dart und Kunstvereine sind an "thermostat" beteiligt. Dass ihre Projekte der Gefahr repräsentationspolitischer Vereinnahmung entgehen, liegt am Ende wohl einzig daran, dass die offiziellen Stellen sich in Zurückhaltung üben. Sie verzichten darauf, sich inhaltlich einzumischen und ziehen sich stattdessen auf die Rolle des Impulsgebers und die Bereitstellung einer organisatorischen Struktur zurück. Für ein Land wie Frankreich, in dem die große Nationalkultur-Geste nach wie vor näher liegt als anderswo, ist es schon bemerkenswert, wie hier zwischen Kunst und Politik Kunstvereine und Centres dart die federführenden Akteure blieben.

Und damit wieder dahin zurück, wo die Sache dann tatsächlich passiert: zurück in die Ausstellungen. Der Bielefelder Kunstverein und Le Confort Moderne haben sich zum Beispiel überlegt, zweimal die gleiche Ausstellung zu zeigen und nur ein klein wenig an die veränderten Räumlichkeiten anzupassen. Riedels Bar stand auch schon genauso in Bielefeld, ebenso fast alle anderen Arbeiten, David Balulas hellblauer Fotografenhintergrund etwa. Dort war er so in die kleinen und verwinkelten Räume gequetscht, dass er knittrige Falten warf. Hier in der riesigen Halle hat er unglaublich viel Platz. Die Knitter aber sind geblieben, Spuren eines Raums im anderen. Weniger die Kunst verändert sich, als vielmehr ihre Umgebung, die Installation, das Publikum und die Erwartungen.

Arbeit an der Basis

Im nahegelegenen Saint-Nazaire dagegen setzen das dortige Centre dart Le Grand Café und der Kunstverein Wolfsburg mit ihrer Ausstellung "Communauté/Gemeinschaft" gleich auf das große politische Konzept. Katerina Sedá versucht in ihrer Arbeit "For every dog a different master" (2007) mit dem Versand von bunt bedruckten Hemden in einem tristen tschechischen Plattenbauviertel die Nachbarschaftsfreundschaft anzukurbeln.

Nebenan kann man mit Raumlaborberlin Bänke für den Stadtraum der kleinen Hafenstadt Saint-Nazaire an der Loire-Mündung bauen. Arbeit an der Basis, direkt und effektiv.

Am Ende des Tages ist die ganze Sache auf jeden Fall zu begrüßen - die Kunst ebenso wie der institutionelle Rahmen, der sie ermöglicht. Dass das Bier an der Rio-Bar in Poitiers nicht mehr ganz so glamourös schmeckt wie damals in der Berliner Chausseestraße und dass statt Exzess jetzt eher Didaktik herrscht, lässt sich da getrost verkraften.

"De A à B, de B à P" bei Le Confort Moderne, Poitiers, Frankreich, bis 8. Mai; Communauté/Gemeinschaft" bei Le Grand Café, Saint-Nazaire, bis 15. Mai; "thermostat" bis 30. April
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