Deutsche Autoindustrie: Konkurrenz und Klimavorgaben
Die deutsche Autoindustrie präsentiert bei der IAA unter Druck ihre neuesten Modelle. Die Grünen tun sich derweil schwer mit dem Verbrenner-Aus.
Dabei macht die ausländische Konkurrenz der deutschen Autoindustrie auf dem Weltmarkt mächtig Druck. Die hiesigen Autobauer klagen über niedrige Absatz- und Gewinnzahlen, wettern gegen die europäischen Klimavorgaben und drohen sich damit immer weiter in die Krise hineinzumanövrieren. Und die politischen Reaktionen darauf werden immer erstaunlicher.
Katharina Dröge, Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, zeigte sich im Gespräch mit der ARD am Sonntagabend zunächst offen dafür, das Verbrenner-Aus ein wenig zu verschieben. Ihr Parteikollege Cem Özdemir, Grünen-Spitzenkandidat zur Landtagswahl in Baden-Württemberg, habe recht, wenn er sage, dass es auf ein Jahr früher oder später nicht ankomme. Am Montag jedoch stellte Dröge klar, dass sie an dem geplanten Datum 2035 festhält: Eine Diskussion über eine Aufweichung sei „ein großer Fehler“, sie schaffe Unsicherheit und gefährde sowohl Klimaschutz als auch Arbeitsplätze.
Aus der SPD-Bundestagsfraktion kam zunächst Protest: Parlamentarischer Geschäftsführer Dirk Wiese warnte vor neuen Debatten über das Verbrenner-Datum. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf betonte dagegen, man sei nicht dogmatisch – entscheidend seien sowohl Klimaziele als auch Arbeitsplätze.
Langsam elektromobil
Die Lage ist kompliziert. Einerseits kommen die deutschen Autobauer auf dem Inlandsmarkt immer noch gut an, Volkswagen etwa baute seine Marktführerschaft zuletzt sogar deutlich aus. Andererseits haben die Marken aus dem Volkswagenkonzern, von Mercedes-Benz und BMW sowie die Stellantis-Tochter Opel Mühe, ihre Position auf dem Weltmarkt zu behaupten. Die Umstellung auf Elektromobilität wurde zu spät ins Rollen gebracht.
Chinesische Autobauer sind bei E-Autos und Hybridfahrzeugen besser aufgestellt. Auf dem Markt in China selbst, der besonders VW lange Erfolg versprach, wurden die deutschen Marken überholt – zum Beispiel vom chinesischen E-Autobauer BYD. Außerdem hat die europäische Autoindustrie mit den Zöllen zu kämpfen, die US-Präsident Donald Trump für Autos kurzerhand von 2,5 auf 27,5 Prozent erhöhte.
BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen, zu dem unter anderem die Marken Cupra, Škoda, Audi und Porsche gehören – sie alle machen noch immer Gewinne. Allerdings weniger als in den letzten Jahren, und das wollen die Konzernvorstände mit Sparprogrammen wettmachen. VW will allein in Deutschland bis 2030 fast ein Viertel aller Stellen streichen. Andere Akteure der Autobranche straucheln ebenfalls: Vergangene Woche gab der Zulieferer AE Group Werkschließungen bekannt. ZF Friedrichshafen hat seit Anfang 2024 weltweit 11.200 Vollzeitjobs abgebaut, der Sparkurs soll noch weiter verschärft werden.
Ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr
Der Verkehrswendeverband Transport & Environment (T&E) versucht hingegen, ein anderes Licht auf die Autobranche zu werfen. „In der Realität sehen wir einen schnellen Anstieg der E-Auto-Verkäufe und Ladepunkte in ganz Europa“, sagte Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E am Montag. „Einige Hersteller reden die Erfolge der letzten Jahre mit Absicht schlecht, weil sie die Flottengrenzwerte schwächen wollen.“
Die europäischen Klimavorgaben für die Autoindustrie gelten seit 2023 und besagen: Ab 2035 dürfen in der EU keine neuen Autos mehr auf den Markt kommen, die mit fossilem Diesel oder Benzin betrieben werden. Bis 2035 müssen Hersteller schrittweise die von der EU festgelegten Flottengrenzwerte einhalten – Obergrenzen für den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der Fahrzeuge eines jeden Autobauers, die in der EU neu zugelassen werden. So sollen die CO2-Emissionen im Straßenverkehr sinken, die das Klima und die menschliche Gesundheit gefährden.
Europäische Hersteller auf Kurs
Laut T&E werde nur Mercedes-Benz die Flottengrenzwerte voraussichtlich verfehlen. Alle anderen Autohersteller aus der Europäischen Union seien auf Kurs. Allerdings drohe sich das zu ändern, wenn die EU dem Druck der Autoindustrie nachgibt und die Emissionsziele weiter aufweicht. Erst in diesem Jahr hatten die Autobauer Zugeständnisse bekommen. Sie haben nun zwei Jahre mehr Zeit, die ursprünglich für 2025 geltenden Grenzwerte einzuhalten. „Verwässern wir die vereinbarten Ziele weiter, könnten noch mehr europäische Hersteller Mercedes folgen und bei der Elektrifizierung ins Hintertreffen geraten“, warnt Bock.
Mercedes-Chef Ola Källenius ist aktuell an der Spitze des europäischen Autoverbands Acea und einer derjenigen, die am lautesten über das Verbrennerverbot schimpfen. Offenbar nicht nur auf EU-Ebene, sondern auch in Baden-Württemberg, wo Özdemir 2026 kandidiert – und wo Mercedes-Benz seinen Hauptsitz hat.
Auch bei der IAA zeigt sich die Komplexität der Lage: Viele Hersteller bewerben fleißig ihre E-Autos. Ausrichter VDA aber macht immer wieder klar, dass er das Verbrenner-Aus allzu gerne kippen würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historikerin über rechte Körperpolitik
Die Fantasie vom schönen Volk
Linken-Bashing in der „Zeit“
Vom bürgerlichen Drang, über Mitte und Norm zu herrschen
US-Verteidigungsministerium umbenannt
Kriegsminister gibt es wieder
Prozess gegen Flüchtlingshelfer
Hilfe als Straftat?
Höhere Bemessungsgrenzen
Gutverdienende sollen mehr Sozialabgaben zahlen
Die Grünen und das Verbrenner-Aus
Peinliches Manöver, aber Kurve gekriegt