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Deutsche China-KompetenzWenn die chinesische Ehefrau zum Sicherheitsrisiko wird

Die Ablehnung von Bewerbern beim Auswärtigen Amt wegen privater Verbindungen zu China zeigt das Dilemma: Wie umgehen mit der neuen Weltmacht?

Diplomatie als Balanceakt: die Deutsche Botschaft in Peking Foto: imago
Fabian Kretschmer

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Fabian Kretschmer aus Soul

taz | Tobias Becks Lebenslauf besticht durch große China-Kompetenz. Schon in seiner Schulzeit hat der heute 34-Jährige einen einmonatigen Sprachkurs in Peking absolviert, später in Shanghai studiert. Zuletzt arbeitete er mehrere Jahre in der Volksrepublik unter anderem für die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung. Inzwischen er für das Auswärtige Amt tätig, wo er letztes Jahr das Auswahlverfahren für den höheren Dienst erfolgreich passierte.

Doch letztlich wurde seine Bewerbung abgelehnt. Wegen seiner Ehefrau, einer chinesischen Staatsbürgerin, erhielt Beck die Sicherheitsfreigabe nicht. Begründung: Aufgrund seiner Frau und Schwiegereltern, aber auch wegen seiner engen Bekannten und vielfachen Arbeitsaufenthalte im Reich der Mitte sei der Deutsche für chinesische Nachrichtendienste erpressbar. „Ich hatte die Sicherheitsüberprüfung eher für eine Formalie gehalten. Dass ich dann doch nicht eingestellt wurde, hat mich entsprechend überrascht“, sagt Beck.

Sein Fall erinnert in Grundzügen an die paranoide Kommunistenjagd unter dem berüchtigten US-Senator Joseph McCarthy in den 1950er Jahren und zeigt, wie sehr sich die geopolitischen Realitäten mittlerweile verschoben haben. Und wie schwer sich die Bundesrepublik Deutschland und die europäische Union damit tun, einen differenzierten Umgang mit der aufstrebenden Weltmacht zu finden. Einer autoritären Macht, die gleichzeitig Partner, aber auch Wettbewerber und systemischer Rivale ist. So wird es in der China-Strategie der deutschen Regierung formuliert.

Zugleich treibt die Umsetzung der China-Strategie widersprüchliche Blüten. Eugen Zak (35) ist studierter Musikpädagoge. Er lehrt derzeit an einer Universität im ostchinesischen Qingdao, unterstützt vom Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD). Wie Beck hat auch Zak das Auswahlverfahren beim Auswärtigen Amt erfolgreich passiert – und wurde dann mit derselben Begründung abgelehnt.

China-Kompetenz: erst gefördert, dann gefürchtet

Dabei wurde ihm nicht nur seine chinesische Ehefrau als Sicherheitsrisiko ausgelegt, sondern auch seine Tätigkeit in China – die, wohl gemerkt, mit deutschen Steuergeldern unterstützt wird. „Das ist total inkonsistent, um es mal milde zu formulieren“, sagt Zak. Das Auswärtige Amt hat sich bis Redaktionsschluss zu beiden Fällen nicht konkret geäußert.

Auch international priorisieren immer mehr westliche Staaten ihre nationale Sicherheit. Erst vor einer Woche wurde ein US-Diplomat wegen einer romantischen Beziehung zu einer chinesischen Staatsbürgerin gefeuert, da diese Verbindungen zur Kommunistischen Partei unterhalte. Damit verstieß der Diplomat gegen eine Regelung, die unter Präsident Joe Biden eingeführt worden war.

Fakt ist: China ist für die Außenwelt immer schwerer zu durchdringen. Der Ein-Parteien-Staat unter Xi Jinping veröffentlicht immer weniger Daten, kontrolliert seine Medien und Online-Plattformen nahezu vollständig und erschwert auch ausländischen Korrespondenten, unabhängig zu berichten.

Zugleich bricht innerhalb der westlichen Staatengemeinschaft das Interesse an der Volksrepublik ein. In Deutschland verliert das klassische Sinologie-Studium rasant an Beliebtheit, chinesische Sprachklassen finden kaum mehr Teilnehmer und in vielen Behörden mangelt es an Übersetzern. Während deutlich weniger als 4.000 deutsche Studierende an Universitäten in China eingeschrieben sind, studieren umgekehrt zehnmal so viele Chinesen an deutschen Unis.

Immer wieder haben Experten davor gemahnt, dass sich diese Wissenslücke Deutschlands rächen wird. Als prominenteste Befürworterin gilt die Sinologin Marina Rudyak von der Universität Heidelberg, die „mehr China-Kompetenz“ fordert. Beck und Zak haben sie. Doch ausgerechnet die stand ihnen bei der Bewerbung fürs Auswärtige Amt im Weg.

Angst vor chinesischen Wissenschaftlern

„Dass man bei China genauer und strenger hinschauen sollte, befürworten wir ja eigentlich – aber eben nicht auf diese pauschale Weise“, sagt Beck: „Wir haben es hier mit einem Balanceakt zu tun. Wir müssen einerseits ein vernünftiges Maß an Sicherheit gewährleisten und andererseits organisiert China-Kompetenz aufbauen“.

Die Risiken durch den chinesischen Staat sind keinesfalls unbegründet, wie der Fall eines Mitarbeiters des AfD-Abgeordneten Maximilian Krah zeigt. Der gebürtige Chinese Jian G. hatte gezielt chinesische Dissidenten in Deutschland ausgespäht und sensible Informationen aus dem Bundestag abgeschöpft. Wegen Spionage wurde er im September zu knapp fünf Jahren Haft verurteilt.

Auch missbraucht der chinesische Staat seine Bürger zunehmend für politische Zwecke. So üben chinesische Mitarbeiter in Führungspositionen europäischer Unternehmen Druck auf die Europäische Handelskammer aus, damit diese sich mit ihrer öffentlichen Kritik an Chinas Wirtschaftspolitik zurückhält. So berichtet es eine gut informierte Quelle mit Einblicken in die Organisation. Ob es sich dabei um gezielte Anweisungen des Parteistaats oder vorauseilenden Gehorsam handelt, ist unklar.

Auch in der Wissenschaft sind Interessenkonflikte offensichtlich: Es ist gut dokumentiert, dass chinesische Forscher und Doktoranden während ihrer Studienaufenthalte an europäischen Universitäten immer wieder sensibles Wissen abgeschöpft haben.

Chinas Forscher „im Dienst der nationalen Sicherheit“

Parteichef Xi Jinping verpflichtet seine Forscher zunehmend zur Kooperation mit dem Parteistaat. So heißt es in einem Verhaltenskodex vom Herbst 2023 der chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS), der weltgrößten Forschungseinrichtung, dass alle Mitglieder „die Liebe zur Partei vorleben“, „der nationalen Sicherheit dienen“ und „im Einklang mit der Politik des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas stehen“ müssen.

Einige Universitäten wie etwa die ETH Zürich unterziehen Studierende aus China mittlerweile routinemäßigen Sicherheitsüberprüfungen. Auch sind Forschungskooperationen, insbesondere für sensible Technologien, in den letzten Jahren gestrichen worden aus Angst, dass sensible Technologien abgeschöpft oder gar für militärische Zwecke missbraucht werden könnten.

Doch inzwischen ist China insbesondere in naturwissenschaftlichen Fächern zur führenden Wissenschaftsnation aufgestiegen. Geht also Europa keine Kooperationen mehr ein, wird es fachlich weiter abgehängt werden. Das Dilemma lässt sich nur schwer auflösen.

Tobias Beck und Eugen Zak werden sich beruflich womöglich anders orientieren müssen. „Was natürlich schade für mich ist“, sagt Zak. „Aber auch schade, weil ich ja die viel zitierte China-Kompetenz gerne für Deutschland mit eingebracht hätte“.

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