Deutsche Co-Trainerin über Taktik: „Wir sind halt diszipliniert“

Die Co-Trainerin Ulrike Ballweg erklärt, warum man gegen Frankreich nichts ändert und weshalb fehlende taktische Flexibilität auch Vorteile hat.

Ulrike Ballweg, Silvia Neid und ihre Spielerinnen

Zufriedenes Trainerteam: Ulrike Ballweg (l.) und Silvia Neid klatschen ihre Spielerinnen ab Foto: dpa

taz: Frau Ballweg, was genau machen Sie eigentlich, was Silvia Neid nicht kann?

Ulrike Ballweg: Nichts.

Wofür werden Sie dann bezahlt?

Dafür, dass ich Silvia Neid in ihrer Arbeit unterstütze und, die besteht als Co-Trainerin darin, die Trainingsplanung mit zu gestalten, in entsprechenden taktischen Sitzungen die Spiele vor- und nachzubereiten, Expertisen auszuwerten. Aus all dem versuchen wir dann gemeinsam eine Strategie für die Zukunft zu entwickeln.

Wie sieht die Strategie für das Spiel gegen Frankreich aus?

Wir werden versuchen, unser Spiel, das wir gegen die Schwedinnen gemacht haben, weiter durchzuziehen. Dazu gehören unser gutes Mittelfeldpressing, die Zusammenarbeit auf den einzelnen Positionen, die physische Präsenz, die robuste Zweikampfstärke. Aber das gehört immer zu unserem Spiel. Da wird sich jetzt gegen die Französinnen nicht viel ändern.

Das zehn Jahre alte Team Neid/Ballweg ist weiterhin unflexibel?

Das gehört zu unserer Philosophie. Wir sind in unserem System sehr flexibel durch verschiedene Spielerinnen und deren unterschiedlichen Charaktere, Spielweisen, Typen. Ich weiß nicht, ob es uns weiterbringen würde, wenn wir fünf verschiedene Systeme spielen könnten. Die Spielerinnen fühlen sich in unserem System wohl und wissen, was sie tun und wo sie hin müssen. Bis jetzt hat uns noch kein Gegner geschlagen, nur weil wir unflexibel sind.

49, assistiert bereits seit zehn Jahren Bundestrainerin Silvia Neid an der Seitenlinie. Ihr bislang größter Erfolge: der WM-Titel 2007 in China. Schon zu ihrer aktiven Zeit arbeitete Ballweg beim Bundesligaklub SC Klinge Seckach zwischen 1989 und 1997 als Spielertrainerin. Derzeit betreut sie auch hauptverantwortlich das deutsche U23-Team.

Exzentrikerinnen gibt es im deutschen Team aber nicht. Trainieren Sie denen das ab?

Gar nicht. Wir haben ganz viele Persönlichkeiten, von Nadine Angerer über Célia Sasic bis zu der jungen Pauline Bremer. Wir versuchen niemanden in seiner Entwicklung und Entfaltung einzuschränken.

Fragt man Gegnerinnen der Deutschen, vor welcher Spielerin sie am meisten Respekt oder Angst haben, kommt immer die Antwort: vor dem Team als Team.

Das nennt man dann wohl typisch deutsch! Wir sind halt so diszipliniert und versuchen, alle zusammen etwas zu erreichen, und deswegen sieht man von außen keine Spielerin so deutlich herausragen. Das ist doch eigentlich das größte Kompliment, was man einer Mannschaft machen kann.

Dzsenifer Marozsan ist spielerisch schon sehr eigenwillig. Ist jemand wie sie für das Spiel gegen Frankreich eine entscheidende Figur?

Sie hat fußballerische Qualitäten, die sind Wahnsinn. Wir sind sehr froh, dass wir sie haben. Selbst wenn sie nicht unter den ersten elf ist, hat sie bewiesen, dass sie auch als Ergänzungsspielerin immer eine gefährliche Situation initiieren, das Spiel beleben, aber auch Ruhe und Leichtigkeit mitbringen kann.

Sie haben die Französinnen am Sonntag angeguckt. Was haben Sie gesehen?

Nichts Überraschendes. Eine starke Mannschaft, die athletisch sehr aufgeholt hat, zur Weltspitze gehört, technisch auf ganz hohem Niveau spielt und souverän das Viertelfinale erreicht hat. Man hätte sich nur gewünscht, dass die Südkoreanerinnen sie ein bisschen mehr fordern. Jetzt müssen wir das machen.

Wenn, wie gegen Thailand, ein schneller Konter der schnellen Französinnen kommt, sind die eher nicht so schnellen Abwehrspielerinnen wie Annike Krahn dann eine Schwachstelle?

Im Vergleich zur thailändischen war die schwedische Offensive deutlich stärker. Und gegen diese haben wir keine Schwäche gezeigt. Auch die Schwedinnen hatten gedacht, sie hätten da unsere Schwächen gefunden, aber viele Torchancen konnten sie sich ja nun nicht erspielen. Wir waren sehr zufrieden mit unserem Abwehrverhalten.

Wird das stürmische Spiel der Deutschen reichen, um die Französinnen zu schlagen, oder braucht es ein kreativeres Kombinationsspiel nach vorne?

Gegen Schweden haben wir schon sehr gute Kombinationen gehabt. Sicher müssen unsere Angriffe gegen die starke französische Defensive mit sehr viel Tempo und Präzision durchgeführt werden. Unsere Spielideen ähneln sich. Nicht nur in der Offensive, sondern auch in der Defensive. Wir laufen wie sie hoch an und versuchen im Mittelfeld dem Gegner die Räume möglichst eng zu machen. Frankreich hat im Achtelfinale die Südkoreanerinnen so gut bearbeitet, dass ihnen nichts weiter übrig blieb, als weiträumig zu spielen, und das ist meistens ein Zeichen dafür, dass die verteidigende Mannschaft die Räume so gut zustellt, dass kein Kurzpassspiel möglich ist.

Ist das Kurzpassspiel im Frauenfußball die größte Baustelle?

Das ist kein spezifisches Problem der Frauen. Auch die spanische Nationalmannschaft der Männer hat lange gebraucht, bis sie mit dieser Spielweise erfolgreich war.

In welche Richtung geht die Entwicklung bei dieser WM?

Es gab Veränderungen, die aber dem Kunstrasen geschuldet sind. Auf dem Kunstrasen gestaltet sich der Fußball anders. Er ist der Grund, dass hier viele Mannschaften versuchen, eher defensiver zu agieren, sich tendenziell früher tief zu stellen, um die Räume für den Gegner so klein wie möglich zu halten.

Entscheiden Sie ganz allein, wie der Gegner einzuschätzen ist?

Nein. Wir haben ein Sichterteam hier in allen Stadien, das uns Infos liefert, und einen Videoanalysten, der Zugriff auf alles hat. Mit dem bespreche ich dann, was wir den Spielerinnen über die taktische Ausrichtung des Gegners erzählen.

Verheimlichen Sie den Spielerinnen manchmal etwas?

Nein. Nicht bewusst jedenfalls. Wir haben sehr intelligente und wache Spielerinnen, die selbst erkennen, wo der Gegner Schwächen und Stärken hat. Denen können wir gar nichts verheimlichen.

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