Deutsche Hilfe für weißrussische Polizei: Ein genauerer Blick über die Grenze

Deutsche Polizisten werden seit über 20 Jahren ohne klare gesetzliche Grundlage im Ausland eingesetzt. Der aktuelle Skandal könnte Anlass für eine Aufarbeitung sein.

Hilfe versprochen oder nicht? Deutscher Polizeiausbilder in Afghanistan. Bild: dapd

BERLIN taz/dpa | Nach berichten über „Ausstattungshilfe“ durch die Bundesregierung an das autokratische Regime in Weissrussland verlangt die SPD eine Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses. Er soll der Frage nachgehen, welcher Art die deutsche Unterstützung der weißrussischen Polizei ist – und schon zu Zeiten der großen Koalition war. „Was gar nicht geht, ist, dass die deutsche Polizei, die eine Bürgerrechtspolizei ist, die Prügeltruppe eines Diktators unterstützt“, erklärte der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann.

Das Bundesinnenministerium hatte am Montag Zeitungsmeldungen bestätigt, wonach das Regime Alexander Lukaschenkos von 2008 bis 2010 Computer, Kameratechnik, Drucker sowie drei VW Transporter an „Ausstattungshilfe“ bekommen habe. Dementiert wurde allerdings, dass noch 2011 auch Schlagstöcke und Körperschutz geliefert worden seien.

Eine Aufarbeitung im Bundestag könnte eine Gelegenheit werden, die Einsätze der deutschen Polizei im oder für das Ausland etwas grundsätzlicher aufzuarbeiten. Denn diese finden seit 1989 meist ohne großes Aufheben statt. Damals stellte der Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei) den Personenschutz für deutsche Wahlbeobachter in Namibia. Im Herbst 1994 gingen erstmals Länderpolizisten nach Bosnien.

Seither werden solche Missionen regelmäßig auf diplomatischem Parkett ausgehandelt. Eine klare rechtliche Grundlage, parlamentarische Kontrolle und einheitliche Durchführungsregeln gebe es bis heute nicht, bemängelt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) – ohne Erfolg.

Welche Folgen das hat, zeigte sich in Afghanistan: 2002 versprach die Bundesrepublik, sich um den dortigen Polizeiaufbau zu kümmern. Jahrelang passierte nichts. Als 2007 der gesamte Afghanistan-Einsatz in die Krise geriet, erinnerten sich Bundes- wie Länderinnenminister an nichts – man begründete eine EU-Zuständigkeit. Erst auf großen Druck der USA hin schickten die Länder einige Dutzend Polizisten als Ausbilder.

Derzeit sind offiziell knapp 370 Beamte von Bundespolizei, Bundeskriminalamt, den Länderpolizeien und dem Zoll an Auslandseinsätzen beteiligt, davon ein Viertel Frauen. Die tatsächliche Zahl liegt laut GdP jedoch bei 850 – samt jenen Botschafts-, Grenzschützern und kurzfristig Eingesetzten.

Einsatzorte sind neben Afghanistan aktuell der Balkan und der Sudan. Nachgedacht wird über Libyen und Tunesien. GdP-Vizechef Jörg Radek weist darauf hin, dass solche Einsätze offenbar zunehmend auch wirtschaftlichen Interessen dienen. Als Beispiel nennt Radek den aktuellen Einsatz in Saudi-Arabien zur Grenzsicherung.

Tausende von Kilometern Wüste lassen sich allerdings nur mit elektronischen Sicherungsanlagen kontrollieren, weshalb der europäische Rüstungskonzern EADS den Saudis gern sein System verkaufen möchte. Interessant in diesem Zusammenhang: Der frühere Chefs des Bundesgrenzschutzpräsidiums Ost, Udo Hansen, ließ sich 2008 für dienstuntauglich erklären und ging dann als EADS-Berater nach Saudi-Arabien.

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