Deutsche Nationalspieler: Nehmt euch ein Beispiel an den Amateurkickern!
Im Profi-Fußball fehlte es angesichts von Rassismusvorfällen zuletzt an Solidarität. Die Amateurkicker des SV Auerhammer zeigen, wie es besser geht.

E in starkes Gefühl scheint derzeit im deutschen Profifußball stark zu verkümmern: Empathie mit den Mitspielern. Zumindest auf allerhöchster Ebene ist davon verdammt wenig zu sehen.
Aber von vorne: In den vergangenen Wochen hat sich der Rassismus verstärkt auf den Fußballplätzen bemerkbar gemacht. Gleich bei mehreren DFB-Pokal-Partien gab es diskriminierende Rufe von den Rängen – und im Nachgang entsprechende Posts in den sozialen Netzwerken. Als Reaktion folgt verlässlich diese institutionalisierte Schaufenstersolidarität, die meist recht allgemein in notdürftiger Fußballpoesie daherkommt: „Zeig dem Rassismus die Rote Karte!“
Als die deutschen Auswahlkicker kürzlich ihr erstes WM-Qualifikationsspiel in der Fremde zu verlieren drohten, war wenig von Roter Karte für Rassismus zu spüren. Da wurden in den sozialen Netzwerken Schuldige und Unschuldige nach Hautfarbe sortiert. Schuldig waren die nicht weißen Spieler Antonio Rüdiger, Jonathan Tah und Nnamdi Collins. Der DFB wies, als die Niederlage in der Slowakei mit dem Schlusspfiff endgültig besiegelt war, höflich darauf hin, „dass Hass Situationen noch nie besser gemacht hat“ und bat in einem Schlussappell darum: „Lasst uns gemeinsam weitermachen.“
Das wirft natürlich die Frage auf, wie sinnvoll es ist, die Solidarität von Rassisten mit dem Argument einzufordern, dass sich dieser nicht rechnet. Aber die wichtigere Frage, die sich nach den Vorgängen um dieses Spiel aufdrängt, ist die nach der Solidarität und dem Mitgefühl der Mitspieler von Rüdiger, Tah und Collins.
Warum nutzten Joshua Kimmich, Florian Wirtz und Oliver Baumann nicht ihre Social-Media-Kanäle, um ihre Abscheu gegenüber diesem Rassismus kundzutun? Warum erklären sie nicht an prominenter Stelle, dass sich jeder dieser Kommentare gegen das gesamte Team richtet und sie bei Fortsetzung solcher Angriffe ihre Aktivitäten auf diesen Plattformen einstweilen einstellen werden? Warum schlägt nach solch einer Partie niemand öffentlich seinem Verband beispielsweise vor, die Einnahmen aus dem nächsten Länderspiel in Antirassismusprojekte zu stecken? Wo bleiben die persönlichen Initiativen? Wo bleibt hier ganz generell die Solidarität?
Wie es gehen könnte, haben die deutschen Nationalspieler in Ostdeutschland im sächsischen Erzgebirgspokal vorgeführt bekommen. Genauer bei der Partie zwischen der SV Fortuna Niederwürschnitz und dem SV Auerhammer. Nachdem ein Mitspieler aus der Elfenbeinküste auf unerträglichste Weise rassistisch beschimpft und beleidigt wurde, verließ das Team der Auerhammer beim Elfmeterschießen den Platz. Dies geschah in einer Region, in der die Normalisierung von Rassismus schon weiter fortgeschritten ist als andernorts und die AfD zuletzt bei über 30 Prozent lag. Das Spielergebnis, sagte der Vereinsvorsitzende vom SV Auerhammer, sei zweitrangig, wichtiger sei das Zeichen gewesen. Es verbreitete sich mit medialer Hilfe über ganz Deutschland. Welch starke Zeichen könnten erst deutsche Nationalspieler setzen?
Stattdessen geißelten sich Kimmich und Baumann öffentlich für die schlechte Teamleistung gegen die Slowakei und versprachen kleinmütig Besserung. Über die menschenfeindlichen Attacken auf ihre Teamkollegen verloren sie kein Wort. Als müssten sie erst einmal besser Fußball spielen und Deutschland zum Weltmeister machen, bevor sie sich zu solchen Themen äußern dürften. Diese Stille trägt auch zur Normalisierung von Rassismus bei.
Ganz nebenbei: Zusammenhalt und Solidarität im Team hilft meistens auch auf dem Platz.
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