„Deutsche Wohnen und Co. enteignen“: Moody's erwägt Abstufung Berlins

Das Enteignungsvolksbegehren spaltet die rot-rot-grüne Regierung in Berlin. Nun schaltet sich auch noch eine Ratingagentur ein.

Aus dem Fenster einer Wohnung hängt ein Banner mit der Aufschrift "Sale". Das Wort ist durchgestrichen

„Not for Sale“: MieterInnen in Berlin protestieren gegen den Verkauf ihrer Wohnungen Foto: dpa

BERLIN taz | Die Ratingagentur Moody’s erwägt, die Kreditwürdigkeit das Landes Berlin herabzustufen, falls der Senat große Wohnungskonzerne enteignet. Dies verkündet Moody’s rund drei Wochen, bevor die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ in der Hauptstadt mit der Sammlung von Unterschriften für ihr Volksbegehren beginnen will. Die Forderung an den Senat: ein Gesetz auszuarbeiten, mit dem alle Wohnungsunternehmen, die mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin besitzen, enteignet werden.

Schon ehe die erste Unterschrift geleistet ist, hat die Ini­tia­tive damit eines ihrer Ziele erreicht: Berlin diskutiert über die Frage, ob Wohnungen bei privaten Konzernen gut aufgehoben sind. Einen Großteil der Häuser, die das Land nach dem Willen der Initiative enteignen soll, hatte der damalige rot-rote Senat in den Nullerjahren angesichts des Spardrucks verkauft.

Die Deutsche Wohnen, der die Wohnungen heute gehören, macht mit rabiaten Modernisierungen Negativschlagzeilen. Heute halten führende Politiker von SPD und Linkspartei den Verkauf für einen Fehler. Aber über die Frage, wie man zum Volksbegehren steht, ist die rot-rot-grüne Koalition gespalten. Die Linkspartei unterstützt die Initiative, ebenso die Jusos und Teile der Grünen.

Neben der grünen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop sind vor allem die Senatsmitglieder der Sozialdemokraten skeptisch. So warnte SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz am Dienstag davor, dass die Debatte über Enteignungen Berlins Lage am Kapitalmarkt schwächen könnte. Berlin hat noch immer Schulden von 58 Mil­liar­den Euro. Bei einer schlechteren Bewertung durch die Ratingagenturen würde es für Berlin schwieriger, neue Kredite zu bekommen.

Symbolische Entschädigungen sind gesetzeskonform

Von entscheidender Bedeutung sind daher vor allem die Kosten, die auf Berlin durch die Enteignungen zukämen. Die Ini­tiative selbst glaubt, dass das Land Entschädigungen zwischen 7 und 13 Milliarden Euro zahlen müsste. Auch eine symbolische Entschädigung von einem Euro sei möglicherweise gesetzeskonform. Die SPD-geführte Senatsverwaltung für Inneres kommt dagegen in einem Gutachten, das der taz vorliegt, auf Entschädigungskosten zwischen 28,8 und 36 Milliarden Euro. Entscheidend für die unterschiedlichen Zahlen ist die Frage, wie weit unter dem Marktwert entschädigt werden kann.

„Wer das Volksbegehren nicht möchte, schreibt hohe Zahlen in das Gutachten hinein“, sagt Ralf Hoffrogge von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ der taz. Dass die Ratingagenturen sich einschalten, sei zu erwarten gewesen. „Mich überrascht nur, dass es so früh kam.“ Letztlich sei das Land an der negativen Bewertung „wegen seiner überhöhten Kostenschätzung“ für die Enteignung mit schuld.

Die Linkspartei unterstützt die Initiative, ebenso die Jusos und Teile der Grünen

In dem Gutachten der Senatsverwaltung sind erstmals auch die Unternehmen aufgelistet, die über mehr 3.000 Wohnungen in Berlin verfügen und damit enteignet werden sollen. Neben der Deutschen Wohnen (111.500 Wohnungen) sind dies Vonovia (44.000) und Akelius (13.700), aber auch weniger bekannte Player am Wohnungsmarkt wie Grand City Properties (8.000).

Auch die evangelische Hilfswerk-Siedlung mit 6.000 Wohnungen fiele darunter. Das überraschte Initiativensprecher Rouzbeh Taheri: „Wir wussten nicht, dass die Hilfswerk-Siedlung die Vergesellschaftungskriterien erfüllt“, sagte er der Berliner Morgenpost. Er kenne die Gesellschaft nicht – „weder im Guten noch im Schlechten“.

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