Deutschland bei der Eishockey-WM: Eine bewegliche Wucht

Mit dem eingeflogenen NHL-Star Leon Draisaitl bezwingt Deutschland Italien. Im Team ist die Zuversicht groß, in das WM-Viertelfinale einzuziehen.

Ein Eishockeyspieler mit Schläger in Aktion

Durfte nach dem Spiel bei seiner Mutter übernachten: NHL-Akteur Leon Draisaitl Foto: reuters

KÖLN taz | Leon Draisaitl stützte sich auf seinem Eishockey-Schläger, als er nach seinem ersten WM-Auftritt in Köln in der Mixed Zone erschien. Das war auch nötig. Der junge deutsche Eisheilige sah völlig geschafft aus, fast fielen ihm die Augen zu, als er erzählte, wie es gewesen sei, am Samstag vor 18.500 Zuschauern in der Heimat zu spielen. „Ich bin zwar müde, aber es war schon okay, es hat geholfen, direkt zu spielen“, sagte der 21 Jahre alte Stürmer der Edmonton Oilers. „Bei 100 Prozent war ich nicht. Aber keine Ausreden. Ich wollte hier sein, ich wollte der Mannschaft helfen. Und ich denke, dass es ein gelungener Start war.“

Natürlich war er das. Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft erzielte am Samstag im vorletzten Gruppenspiel ein 4:1 gegen den Außenseiter Italien. Draisaitl war nach dem Aus der Oilers in den NHL-Playoffs zwar erst am Morgen in Frankfurt gelandet, er hatte vor der Partie nicht mit dem Team trainieren können – und er war durch den Zeitunterschied von acht Stunden Jetlag-geplagt.

Trotzdem setzte er auf dem heimischen Eis auf Anhieb Akzente. Er gewann viele Bullys, bereitete Tor Nummer eins von Christian Ehrhoff wunderbar vor, überhaupt war sein Passspiel phänomenal. „Er macht alle Spieler besser, egal, wer auf dem Eis steht“, jubilierte Bundestrainer Marco Sturm.

Offensiv-Verteidiger Ehrhoff befand: „Er wertet unser Team qualitativ auf und hat schon ein super Spiel gemacht. Das hilft uns natürlich weiter.“ Neid wegen des Rummels um den NHL-Star scheint es im Team nicht zu geben, alle erkennen sie – fast ehrfürchtig – an, dass Draisaitl ein Ausnahmespieler sei, der Beste, den Deutschland je hatte.

Am Dienstag geht's gegen Lettland

Der Mittelstürmer ist tatsächlich eine Wucht. 1,88 m groß und fast 100 Kilo schwer, ist er dennoch sehr beweglich und schnell. Außerdem glänzt er mit Übersicht und Spielverständnis. In den abgelaufenen Playoffs kam Draisaitl in 13 Spielen auf 6 Tore und 10 Vorlagen, in der regulären Saison in 82 Partien auf 29 Treffer und 48 Vorlagen – oder anders ausgedrückt: Im dritten NHL-Jahr ist er zu einem der Stars der Liga aufgestiegen.

Im deutschen WM-Team gehen alle davon aus, dass sich mit ihm die Chancen verbessert haben, ins Viertelfinale einzuziehen, also mindestens Gruppen-Vierter zu werden. Dazu muss die DEB-Auswahl am Dienstag (20:15 Uhr) Lettland bezwingen. Beide Teams haben neun Punkte auf dem Konto. Wer gewinnt, kommt weiter. Eine ähnliche Situation hatten sie im September bei der Olympia-Qualifikation in Riga. Dort gewannen Sturms Profis das entscheidende Spiel gegen Lettland 3:2 – mit einem Tor und einer Vorlage Draisaitls.

Draisaitl durfte bei seiner Mutter übernachten

Wie im Herbst in der lettischen Hauptstadt soll auch in Köln Torhüter Philipp Grubauer (25) zum Einsatz kommen. Der Ersatzkeeper der Washington Capitals stieß ebenfalls am Samstag zur Nationalmannschaft. „Der Plan ist, dass Phi­lipp gegen Lettland spielt“, sagte Sturm. Thomas Greiss (31) von den New York Islanders wird bei der WM nicht mehr auflaufen. Die Verletzung, wegen der er in der Partie gegen die Slowakei am Mittwoch vom Eis ging, sei schlimmer geworden, lautet die offizielle DEB-Version.

Wahrscheinlich sind sie aber ganz froh darüber, dass Greiss nicht mehr auftaucht. Es hatte am Freitag einigen Wirbel gegeben, da bekannt wurde, dass Trump-Fan Greiss im US-Wahlkampf bei Instagram ein „Gefällt mir“ unter einen Beitrag gesetzt hatte, der ein Foto Adolf Hitlers zeigte und den Schriftzug: „Nie verhaftet, nie verurteilt, genauso unschuldig wie Hillary (Clinton).“ Sogar DOSB-Präsident Alfons Hörmann drohte Greiss mit dem Ausschluss aus dem Olympia-Team. Den Post hat Greiss wieder entlikt, und der DEB hat betont, dass der Torhüter weder Nazi noch Rechtspopulist sei. Doch auf Trubel dieser Art verzichten sie gern.

Der müde Held aus Edmonton bekam derweil ein Bonbon vom Trainer. Statt im Mannschaftshotel durfte er bei seiner Mutter übernachten, die in Köln wohnt. „Wenn ich könnte“, sagte Draisaitl, „würde ich zwei Tage durchschlafen.“

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