Deutschland bei der Fußball-WM 2015: Ein Star ohne Markennamen

Die Angreiferin Célia Sasic dominiert ihre Spiele mit Wucht und technischem Geschick. Zur WM-Vorbereitung nutzt sie das Panini-Album.

Die Fußballerin Celia Sasic im Zweikampf

Durchsetzungsstark: Célia Sasic im Zweikampf mit der Schweizerin Martina Moser

OTTAWA taz | Es sind auch Stars unter den Deutschen. Auch bei den Frauen. Allerdings sieht man sie vor der Weltmeisterschaft weder in Sportschuh-, Softdrink- oder Schokoriegelwerbung noch auf Magazincovern oder Riesenpostern. Das bislang einzig präsente Fußballerinnengesicht ist das der Exnationalspielerin Kim Kulig, die für das ZDF als Expertin engagiert wurde. Die Spielerinnen des deutschen Kaders in Kanada bewerben sich nur selbst. Auf Twitter und Facebook zeigen sie ihre Trikots, ihre Turnschuhe und ihre gespannten Gesichter auf dem Trainingsgelände in Ottawa. Eines der Gesichter, dem man folgen sollte und das während des Turniers ganz sicher auffallen wird, ist das von Célia Sasic.

Auch wenn Trainerin Silvia Neid sie im letzten Testspiel gegen die Schweiz in der zweiten Halbzeit auswechselte, liegen auf der amtierenden Torschützenkönigin der Bundesliga (21 Tore) und der Champions League (14 Tore) viele Hoffnungen. Neben Dzsenifer Marozsán, die als technisch beste Spielerin gilt und die im Eröffnungsspiel der Deutschen gegen die Elfenbeinküste (So., 22 Uhr, ZDF) wahrscheinlich wegen einer Verletzung ausfällt, ist Sasic die torgefährlichste und eine der kampfstärksten deutschen Spielerinnen.

Sie lässt kaum eine Chance aus, um an den Ball zu kommen. Die Spitzenstürmerin der Nationalelf war schon bei der letzten WM in Deutschland dabei und schoss im Eröffnungsspiel gegen Kanada das entscheidende 2:0. Weltmeister wurde sie bekanntlich nicht. Aber diesen Titel hat sie: 2004 gewann sie die U19-WM.

Ihren Namen kennt trotzdem niemand. Jedenfalls niemand, der sich nicht wenigstens mit halbem Auge für Frauenfußball interessiert. Zwar war sie vor der WM 2011 in der Tatort-Folge „Abseits“ zu sehen. Da hieß sie aber noch anders: Célia Okoyino da Mbabi. 2013 heiratete sie den Sohn des Trainers Milan Sasic und änderte ihren Nachnamen. Dabei hätte „Célia“ – ähnlich wie der brasilianische Star „Marta“ – das Zeug zur Weltmarke gehabt. Denn vor ihrer Heirat stand nur ihr Vorname auf dem Trikot. Der Nachname war einfach zu lang. „Sasic“ aber passt auf jedes Trikot. Und so ist „Célia“ verschwunden.

Sie spielt Fußball, weil sie gern Fußball spielt

Warum hat sie nicht einfach ihren Nachnamen behalten? „Ich hab da gar nicht lange drüber nachgedacht. Mir ging es nie darum, eine Marke zu werden. Ich spiele Fußball, weil ich wahnsinnig gerne Fußball spiele“, sagt Sasic.

Und das tut die gebürtige Bonnerin schon, seit sie fünf Jahre alt ist. Ihr Vater hätte sie lieber tanzen sehen. Nun aber, erzählt sie, ist er ihr größter Fan. Bis 2013 spielte Sasic beim legendären SC Bad Neuenahr, dessen Frauenabteilung bereits 1969 gegründet wurde, als Frauenfußball beim DFB noch verboten war. Danach wechselte sie zum FFC Frankfurt, mit dem sie in diesem Jahr die Champions League gewann.

Dort spielen wird sie nicht mehr. Sie hat gekündigt. Wo sie nach der WM weiterspielt oder ob sie ihre Abschlussarbeit in Kulturwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau schreibt, lässt sie offen. „Ich will frei entscheiden, wohin die Reise geht“. Sollte die WM-Reise der Deutschen in Kanada bis zum Viertelfinale am 27. Juni gehen, ist klar, was Sasic macht: feiern. Mit ein bisschen Glück hat sie sogar zwei Gründe dafür: ihren 27. Geburtstag und den Einzug ins Halbfinale.

Sie spielt wie ein Mann, sagen manche

Mit Célia Sasic feiern, das geht sicher hervorragend. Rumtoben, das tut sie ja auch auf dem Platz. Sie dominiert die Spiele mit ihrer Wucht, ihrem Einsatz und ihrem technischen Geschick. Männer würden sagen: „Die spielt wie ein Mann.“

Außerhalb des Spielfelds wirkt sie fast ein bisschen zurückhaltend. Man könnte auch sagen: entspannt. Sie geht die Dinge mit Gelassenheit an, sagt aber auch ohne Umschweife, was sie von ihnen hält. Auf die Frage, ob sie Weltmeisterin wird, antwortet sie: „Das ist eine sinnlose Frage. Es kommt immer drauf an, wie und ob man in ein Turnier reinkommt. Den Rest wird der Verlauf zeigen. Das Potenzial ist auf jeden Fall da. Es ist eine WM, das ist das Größte, was man spielen kann. Dass wir neben Japan, USA, Schweden zu den Favoriten zählen, ist kein Geheimnis.“

Und auf die Frage, was mehr stört, die Vergleiche mit dem Männerfußball oder die Unterstellung, Fußballerinnen seien Lesben, sagt sie: „Das ist einfach nur nervig. Darüber reden wir gar nicht.“

Der Anstoß: In der Nacht von Samstag auf Sonntag, genau um 0 Uhr beginnt mit der Partie Kanada gegen China in Edmonton die 7. Fußball-WM der Frauen. Sie endet mit dem Finale am 6. Juli in Vancouver, 1 Uhr nachts.

Der Umfang: 24 Teams ermitteln in sechs Gruppen die Teilnehmer der Finalrunde. WM-Neulinge sind: Elfenbeinküste, Thailand, die Niederlande, Ecuador, Costa Rica, Kamerun, Spanien und die Schweiz. Ab dem 20. Juni beginnt die KO-Runde mit dem Achtelfinale.

Die Titelanwärter: Das deutsche Team, das 2013 Europameister wurde, reist als Mitfavorit nach Kanada. Auch die USA, Frankreich, Schweden und Titelverteidiger Japan gelten als Favoriten.

Célia Sasic ist ein großes Talent. Doch auch aus einem anderen Grund fällt sie auf im deutschen Kader. Sie ist zwar nicht einzige Spielerin, deren Eltern einen Migrationshintergrund haben. Aber die Tochter einer Französin und eines Kameruners ist die einzige, die eine andere Hautfarbe hat als ihre Mitspielerinnen. Erfahrung mit Rassismus hat sie in ihrem Leben nicht gemacht. „Jedenfalls nicht so, dass es mich längerfristig beschäftigt hätte“, erzählt sie. Als Integrationsbotschafterin des DFB sieht sie sich als Symbolfigur. „Aber nicht nur für Migranten, sondern ganz grundsätzlich. Es geht vor allem darum, in der Männerdomäne Fußball Mädchen und Frauen zu motivieren, mitzumachen, und zu zeigen, was für ein großer Spaß das sein kann.“

In Kanada treten zum ersten Mal 24 Teams bei einer Frauen-WM an statt wie bisher 16. Insgesamt werden 52 statt der bisherigen 32 Spiele ausgetragen. Der Frauenfußball soll dadurch gestärkt und gefördert werden. Ob das Niveau in Kanada besser sein wird als bei der WM in Deutschland, darauf sind viele gespannt. „Selbst kleinere, bislang noch nicht erfolgreiche Verbände haben große Sprünge gemacht“, findet Sasic.

Der erste Gegner in der deutschen Gruppe ist WM-Neuling Elfenbeinküste. Einschätzen, ob das ein leichtes Spiel wird, kann sie nicht. „Norwegen ist eine Art Stammgegner. Die kennen wir ganz gut. Aber was die Elfenbeinküste oder Thailand leisten können, werden wir sehen. Unsere Trainerin wird uns schon sehr gut darauf vorbereiten. Drei Punkte wollen wir natürlich in jedem Spiel holen.“

Um zu wissen, wer da alles in Kanada so „rumlaufen“ wird, wie Sasic sagt, blättert sie im Panini-Album. „Ich würde ja schon gerne wissen, wer aus Afrika dabei ist. Aber man hat ja kaum eine Chance, im deutschen Fernsehen Spiele aus anderen Ländern zu sehen. Also sind wir diesem Fotoalbum sehr dankbar.“

Sie spielt nicht gern auf Kunstrasen, hat aber keine Angst

Für eine Kontroverse hat die Entscheidung der Fifa gesorgt, erstmals eine WM auf Kunstrasen zu spielen. Um einzuschätzen, wie der Ball sich auf dem Belag verhält, gibt es zu wenig Erfahrung. Die Verletzungsgefahr wegen der mangelnden Federung ist höher. Dutzende Nationalspielerinnen aus der ganzen Welt hatten protestiert. Auch Célia Sasic. Geholfen hat es nicht. Angst hat sie aber keine. „Verletzungen gibt es im Fußball immer. Wir haben mit dem Thema abgeschlossen. Wir haben unseren Unmut kundgetan. Aber jetzt sind wir darauf eingestellt“, sagt sie. „Den Ernstfall haben wir in der Schweiz bei unserem letzten Testspiel geprobt. Und das hat auch ganz gut geklappt.“

Die Torjägerin der Deutschen ist Optimistin. Immer. Bei Laune hält sie sich unter anderem mit Musik. Welcher Sound macht sie am torgefährlichsten? Eher Helene Fischer oder Michael Jackson? „Ich höre ständig irgendwas. Und je nachdem, was ich brauche, ist es mal langsam und mal schnell.“ Mit Kopfhörern in der Kabine wird man sie aber nicht sehen. „Da haben wir ja eine Anlage drin. Und da läuft Mainstreammusik, um uns zu pushen. Helene Fischer gibt es eher nach dem Spiel.“ Atemlos – das wäre auch eine gute Charakterisierung von Célia Sasic.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.