Deutschland scheidet aus: Gespenstisch still

Die Deutschen scheiden im WM-Viertelfinale gegen Japan aus. Gerechnet hatte damit niemand – weder das Publikum noch die Spielerinnen.

„Ein Traum – ein Team – Millionen Fans – Danke“: der Trauerzug, mit dem keiner gerechnet hatte Bild: reuters

WOLFSBURG taz | Fassungslos waren sie alle. Manche stierten nur in den Nachthimmel, andere saßen wie ein Häuflein Elend auf dem Rasen, wiederum andere lagen völlig niedergestreckt auf dem Rasen. Simone Laudehr etwa, die wie vom Blitz erschlagen wirkte. Was sie gedacht hat? „Natürlich nur Enttäuschung. Welche Mannschaft hat schon eine Chance auf den dritten WM-Titel? Wenn dann so etwas verpufft“, sagte sie etwas später. Der Traum war aus.

Karina Maruana war es, die aus spitzem Winkel mit dem einzigen Treffer des Tages in der 108. Minute das deutsche Team in einen Schockzustand versetzte und dafür sorgte, dass im ausverkauften Wolfsburger Stadion eine gespenstische Stille Einzug hielt.

Direkt nach dem Tor, versicherte Torfrau Nadine Angerer, sei sie noch davon überzeugt gewesen, dass ihre Teamkolleginnen den Ausgleich erzielen würden. Nach dem wochenlangen Hype um die Titelverteidigung konnten sich offensichtlich nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Spielerinnen nicht vorstellen, dass Deutschland im Viertelfinale aus dem Turnier ausscheidet.

Deutschland - Japan 0:1 n.V. (0:0)

Deutschland: Angerer - Bresonik (65. Goeßling), Krahn, Bartusiak, Peter - Laudehr, Kulig (8. Schmidt) - Garefrekes, Okoyino da Mbabi, Behringer - Grings (102. Popp)

Japan: Kaihori - Kinga, Iwashimizu, Kumagai, Sameshima - Ohno (66. Iwabuchi/116. Utsugi), Sawa, Sakaguchi, Miyama - Ando, Nagasato (46. Maruyama)

Schiedsrichterin: Alvarado (Mexiko)

Zuschauer: 26.067 (ausverkauft)

Tor: 0:1 Maruyama (108.)

Gelbe Karten: Peter / Iwashimizu, Kumagai, Sakaguchi, Sawa

Beste Spielerinnen: Behringer, Bresonik, Krahn / Kumagai, Sawa

Umso ratloser und trauriger wirkten die Spielerinnen danach: „Wir fallen jetzt alle in ein tiefes Loch. Wir müssen das irgendwie verdauen“, gab Inka Grings zu Protokoll. „Wir können das im Moment alle gar nicht realisieren. Ich weiß ehrlich gesagt gerade nicht, wie es jetzt weitergeht“, ergänzte Célia Okoyino da Mbabi. Und Birgit Prinz, die mit dem WM-Aus ihre lange und und erfolgreiche Karriere in der Nationalmannschaft auf der Bank beendete, bekundete: „Ich bin total frustriert.“

Kreuzbandriss bei Kulig

Die Partie hatte für die Gastgeber schon früh mit einem Schreck begonnen. Es waren noch keine vier Minuten gespielt, da stieg Kim Kulig nach einer Ecke zum Kopfball hoch und knickte beim Aufkommen auf dem Rasen so unglücklich um, dass sie mit einem Verdacht auf einen Kreuzbandriss – der sich später nach einer Kernspintomographie bestätigte – ausgetauscht werden musste. Linda Bresonik rückte auf ihre Position im defensiven Mittelfeld vor und wurde ihrerseits von der eingewechselten Bianca Schmidt auf der rechten Abwehrseite vertreten.

„Jetzt geht’s los!“, hatten die 26.067 Zuschauer noch skandiert, als das Spiel nach torlosen 90 Minuten in die Verlängerung ging. Das vorangegangene Spiel, so konnte man die aufmunternden Rufe des Publikums deuten, sollte schnellstens vergessen werden. Japan hatte sich als der erwartet schwere Gegner erwiesen. Neid sagte hernach, ihr habe es sehr imponiert, wie ballsicher sich die Japanerinnen aus engstem Raum befreien konnten und immer den Blick für die freie Mitspielerin hatten.

Das deutsche Team hingegen spielte viel zu umständlich. Oft wurde die naheliegende Option außer Acht gelassen. Überrascht hat das allerdings nur bedingt. Abgesehen vom Spiel gegen Frankreich hatte die deutsche Frauschaft grundsätzliche Probleme damit, gut in der Abwehr organisierte Gegnerinnen zu überraschen. Die Bundestrainerin Silvia Neid analysierte: „Wenn wir den Ball hatten, haben wir viel zu lange gebraucht, den Ball nach vorne zu spielen.“ Man fand über die gesamte Spielzeit kein Rezept gegen diese cleveren Japanerinnen.

Neid: „Japan hat nicht verdient gewonnen“

Alles Vorwissen um die Spielstärke der Japanerinnen schien den Deutschen wenig zu nützen. Den Vorsatz, die Japanerinnen erst gar nicht in Spiel kommen zu lassen, beherzigten sie nur in der Anfangsphase mit einem aggressiven Forechecking. Im weiteren Verlauf befreiten sich die Japanerinnen immer besser von diesem Druck und ihre Ballstafetten wurden immer ansehnlicher. Die Ballzirkulation klappte allerdings nur fernab des deutschen Tores gut.

Im Spiel nach hinten überzeugten die Deutschen. Chancen ließen sie kaum zu. Die beste bot sich der freistehende Yuki Nagasato, die das Leder jedoch recht weit neben den Pfosten setzte. Umgekehrt hätte jedoch auch das Team von Silvia Neid in Führung gehen können. Insbesondere in der zweiten Hälfte drängten sie mächtig auf das Führungstor. In der Verlängerung boten sich beide Teams einen offenen Schlagabtausch, bei dem Japan das Glück für sich hatte. Neid kam deshalb zu dem Schluss kam: „Ich finde nicht, dass Japan verdient gewonnen hat.“ Sie sah beide Teams nicht zu Unrecht auf Augenhöhe. „Beim Spiel zwischen dem Weltranglistenzweiten und – vierten haben Nuancen entschieden“, ergänzte sie. Etwa 15 ungenutzte Standardsituationen zählte die Bundestrainerin. „Dabei sind wir da doch eigentlich gut.“ Die niedergeschlagene Inka Grings meinte gar: „Wir hätten auch vor dem leeren Tor stehen können und hätten das Ding nicht rein gemacht.“

Enttäuscht trugen die deutschen Nationalspielerinnen ein paar Minuten nach dem Schlusspfiff ein Transparent über den Rasen: „Ein Team – ein Traum – Millionen Fans – Danke“. Ein Trauerzug, den man sich so nicht hatte vorstellen können.

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