Deutschland umgeht EU-Vorgaben: Vor der Abschiebung in den Knast

Abschiebehäftlinge dürfen in Deutschland nicht im Gefängnis untergebracht werden, verlangt eine EU-Richtlinie. Aber das passiert trotzdem häufig.

War auch mal eine Strafanstalt: Abschiebeknast Berlin-Grünau. Bild: dpa

Das Bundesinnenministerium plant gesetzliche Veränderungen zur Abschiebehaft, bleibt aber weit hinter den entsprechenden EU-Vorgaben zurück. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst und Pro Asyl üben massive Kritik am Gesetzentwurf des Innenministeriums.

Die Bundesregierung ist verpflichtet, die sogenannte EU-Rückführungsrichtlinie bis Ende des Jahres in deutsches Recht umzusetzen. Nach der Richtlinie müssen Abschiebehäftlinge grundsätzlich getrennt von Strafgefangenen untergebracht werden. Ins Gefängnis darf man sie nur schicken, wenn in einem Staat spezielle Einrichtungen fehlen. Nach dem Gesetzentwurf des Innenministeriums dürfen Abschiebehäftlinge weiterhin auch in Gefängnissen untergebracht werden, wenn spezielle Hafteinrichtungen "nicht vorhanden sind". "Diese Einrichtungen sind aber in Deutschland vorhanden", betont Martin Stark, Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdiensts. Wenn einzelne Bundesländer solche Einrichtungen nicht hätten, müssten die Abschiebehäftlinge nach geltendem EU-Recht in anderen Bundesländern untergebracht werden, meint auch Marei Pelzer von Pro Asyl. Sowohl Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein verfügen über separate Einrichtungen.

Wenn Abschiebehäftlinge in Gefängnissen untergebracht werden, würden sie behandelt wie "Kriminelle", sagt Stark. Der Kontakt zur Außenwelt werde unnötig eingeschränkt. Abschiebehäftlinge dürften dann wie andere Inhaftierte beispielsweise keine Mobiltelefone benutzen.

Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Sevim Dagdelen, hält es für "skandalös", dass Abschiebehäftlinge durch eine Unterbringung in der JVA weiterhin wie Kriminelle behandelt würden. Deutschland gehöre zu den EU-Ländern mit dem niedrigsten Standard im Umgang mit Flüchtlingen.

Abschiebehaft für Minderjährige sehen Experten wie das Deutsche Institut für Menschenrechte als unvereinbar mit der UN-Kinderrechtskonvention. Die EU-Richtlinie sieht Abschiebehaft für Minderjährige und für Familien mit Kindern nur als letztes Mittel vor. Im Gesetzentwurf des Innenministeriums sei das zwar für Minderjährige umgesetzt, für Familien mit Kindern jedoch nicht, bemängelt Marei Pelzer von Pro Asyl. Zudem sehe der Gesetzentwurf nur unspezifisch vor, die Bedürfnisse von Minderjährigen in der Abschiebehaft sollten geachtet werden. In der EU-Richtlinie ist allerdings eine Garantie für die Gelegenheit zu Freizeibeschäftigungen und, je nach Dauer, dem Zugang zu Bildung vorgesehen. "Europarecht muss ausdrücklich umgesetzt werden und nicht nur umgeschrieben", sagt Pelzer. Sonst werde es in der Rechtspraxis nicht richtig angewandt.

Überhaupt nicht umgesetzt sei die Vorgabe, für besonders schutzbedürftige Personen wie Schwangere und Behinderte, Vorkehrungen zu treffen, sagt Stark. Pro Asyl sieht in einigen Punkten eine "bewusste Umgehung" der EU-Richtlinie.

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