Deutschlands harte Abschottungspolitik: Fast keine Visa mehr für russische Oppositionelle
Nach dem Ende der Aufnahmeprogramme kann die Bundesregierung noch einzeln über Schutz für Menschen aus Russland oder Iran entscheiden. Sie tut es aber fast nie.

Schon im August war bekannt geworden, dass die Bundesregierung alle humanitären Aufnahmeprogramme gestoppt hat, darunter auch die für ausländische Oppositionelle. Das hatte breite öffentliche Kritik hervorgerufen. Es blieb aber weiterhin die Möglichkeit, einzeln Visa nach Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes zu vergeben. Die Bundesregierung spricht hier von „besonders herausgehobenen Einzelfällen, über die auf politischer Ebene entschieden wird.“
Die Antwort der Bundesregierung zeigt jetzt aber, dass das Bundesinnenministerium diese Option fast nie nutzt. Tatsächlich liegt die Zahl derer, die durch Entscheidung der neuen Schwarz-Roten Bundesregierung ein Visum bekamen, noch niedriger als es zunächst scheint, nämlich nur bei 17. Über die anderen 32 erteilten Visa entschied noch die alte Ampel-Koalition, nur die Ausstellung fiel in die neue Legislaturperiode und damit die Statistik.
Zum Vergleich: In den drei Jahren von Mai 2022 bis Mai 2025 erhielten allein 2.600 russische Oppositionelle über das Aufnahmeprogramm humanitäres Visum für Deutschland. Über 70 pro Monat.
Linke spricht von „Heuchelei“ und „Zynismus“
Der Linkenabgeordnete Brücker verweist darauf, dass Union und SPD sonst gern dem russischen Regime vorwerfen, gegen Menschenrechte zu verstoßen. „Das Ausmaß an Heuchelei und Zynismus ist schlicht nicht zu ertragen!“, sagt er deshalb. Und fährt fort: „Die gegenwärtige Aufnahmepraxis der Bundesregierung unterstreicht einmal mehr ihre ‚Scheißegal-Haltung‘.“
Bei Bundesaufnahmeprogrammen handelt es sich um humanitäre Zugangswege, die vom regulären Asylsystem abgekoppelt sind. Letzteres steht russischen Oppositionellen theoretisch weiterhin offen. Allerdings versucht die Bundesregierung auch hier möglichst viele Schutzsuchende fernzuhalten, unter anderem mit höchstwahrscheinlich illegalen Zurückweisungen durch Bundespolizist*innen an den Grenzen.
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