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Die „Koalition der Willigen“ in ParisWillig, aber hilflos

Kommentar von Barbara Oertel

In Paris wollte man über Sicherheitsgarantien sprechen – für die Ukraine eine Existenzfrage. Doch die Ergebnisse sind überschaubar und diffus.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (r) umarmt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, in Paris am 4.9.2025 Foto: Ludovic Marin/Pool AFP/AP/dpa

D a sage mal jemand, Wladimir Putin wolle keinen Frieden in der Ukraine oder verweigere sich gar einem Treffen mit Wolodymyr Selenskyj. Der „illegitime“ ukrainische Präsident könne sich ja zum Tête-à-Tête in die Heldenstadt Moskau begeben, seine Sicherheit werde zu 100 Prozent garantiert.

So geht das also: Der Angegriffene, der übrigens noch nicht den Eindruck macht, lebensmüde zu sein, darf beim Aggressor gnädigst zu Kreuze kriechen. Kremlchef Putin hat Humor, das muss man ihm lassen. Mehr Realsatire geht nicht.

Dahinter verbirgt sich jedoch leider eine bittere Wahrheit, die schon längst keinen Nachrichtenwert mehr hat: Russland, das Ziel einer Unterwerfung der Ukraine nach wie vor fest im Blick, hat derzeit nicht das geringste Interesse daran, seine Kampfhandlungen in der Ukraine einzustellen. Warum auch?

Putin beweist mit seinen Vorschlägen Humor. Mehr Realsatire geht nicht

An der Front läuft es zwar nur mäßig, aber dort werden Fakten geschaffen. Dass Putins Eroberungsfeldzug auch mit enormen menschlichen Verlusten unter russischen Soldaten einhergeht, war und ist dem Kreml gleichgültig – und das umso mehr, wenn noch genug Nachschub zur Verfügung steht.

Wie soll dieser Einsatz mandatiert sein?

Auch darf sich Putin wieder an vermeintlich wiedergewonnener internationaler Anerkennung ergötzen – auf Augenhöhe eben, auch wenn die Partner Xi Jinping und Kim Jong Un heißen. Kurzum: Der Kremlchef spielt auf Zeit, muss allerdings US-Präsident Donald Trump noch irgendwie bei Laune halten.

Demgegenüber versucht sich ein Teil der westlichen Staaten im Rahmen der „Koalition der Willigen“ in Stellung zu bringen. Doch Goethes Credo aus dem Erlkönig „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“ – funktioniert hier nicht. Und genau da liegt das Problem, wie bei einem weiteren Treffen der westlichen Unterstützerstaaten Kyjiws am Donnerstag in Paris zu besichtigen war.

Dort wollten sich die Anwesenden über Sicherheitsgarantien – für die Ukraine nichts weniger als eine Existenzfrage – verständigen. Doch die Ergebnisse des Meinungsaustausches sind überschaubar und werfen mehr Fragen auf, als sie Antworten geben. Laut Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron seien 26 Länder bereit, Truppen in die Ukraine zu schicken, um dort einen Waffenstillstand oder Frieden abzusichern.

Was das in der Praxis bedeutet, bleibt diffus. Wie soll dieser Einsatz mandatiert sein? Und welche Rolle, wenn überhaupt, spielen die USA dabei? Einmal abgesehen davon, dass viele Staaten, darunter auch Deutschland, eine Entsendedebatte ohnehin für verfrüht halten.

Der Ukraine läuft die Zeit davon

Da freut man sich doch über die klaren Ansagen aus Moskau. Russland werde nicht über eine zutiefst unannehmbare und jede Sicherheit untergrabende ausländische Intervention in der Ukraine diskutieren, heißt es aus dem Außenministerium. Noch Fragen? Eben.

Und so wird es wohl noch so einiger Treffen der „Willigen“ bedürfen, um sich auf eine gemeinsame Linie zu verständigen. Das kostet Zeit – Zeit, die die Ukraine nicht hat.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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