Die Mailboxaffäre des Bundespräsidenten: Zwei Streithähne, ein Lügner

Von Wulffs Mailbox-Nachricht an Bild-Chef Diekmann sind bisher nur Fragmente bekannt geworden. Doch aus ihnen ist nicht zu erkennen, was Wulff wirklich wollte.

Was wirklich gesagt wurde, bleibt für Außenstehende unklar. Bild: dpa

BERLIN taz | Wer lügt? Bundespräsident Christian Wulff oder Bild-Chefredakteur Kai Diekmann? Auf die Frage, über die ganz Deutschland rätselt, gab es auch am Freitag keine klare Antwort. Nachdem Wulff am Donnerstag die Zustimmung verweigert hatte, seine Aussagen von Diekmanns Mailbox zu veröffentlichen, verzichtete die Zeitung darauf, die Abschrift des umstrittenen Anrufs zu veröffentlichen - obwohl eine Mehrheit von Presserechtlern dies für rechtlich möglich hält.

Wulff hatte am Vorabend der ersten Bild-Veröffentlichung über seinen privaten Hauskredit und dessen Verheimlichung im Landtag von einer Auslandsreise aus bei Diekmann angerufen und eine empörte Nachricht auf dessen Mailbox hinterlassen. Der Präsident sagt, er habe lediglich die Verschiebung des Artikels um einen Tag erreichen wollen; Diekmann erklärte hingegen, Wulff habe mit Drohungen darauf gedrängt, die Publikation ganz zu unterlassen.

Weil Wulff der Veröffentlichung des Anrufs nicht zugestimmt hat, sind Mutmaßungen, welche Version stimmt, auf Ausschnitte der Mitschrift angewiesen, die aus dem Umfeld des Springer-Verlags an andere Medien gelangten. Laut ARD bat Wulff tatsächlich um Verschiebung. Hans Leyendecker, Redakteur der Süddeutschen Zeitung sagte am Mittwoch, nach seinen Informationen habe Wulff sowohl um Verschiebung gebeten als auch mit Strafantrag gegen einen Redakteur und "Krieg" gedroht. "Das passt alles nicht zueinander", sagte er.

Angebliche Ausschnitte aus dem Mailbox-Protokoll, die der taz vorliegen, enthalten vor allem Drohungen, die eher auf eine Verhinderung der Veröffentlichung abzuzielen scheinen. Ohne Kenntnis des gesamten Wortlauts und der vorausgegangenen Anfragen an Wulff ist eine Interpretation jedoch kaum möglich.

Kanzlerin: "Große Wertschätzung"

Oppositionspolitiker erneuerten am Freitag die Forderung, den Anruf-Text zu veröffentlichen. Auch der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, nannte dies einen "nachdenkenswerten Schritt". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte die Entscheidung des Präsidenten, die Mailbox-Nachricht geheim zu halten, nicht kommentieren, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert am Freitag.

Auch auf die Frage, ob Wulff mit seinem Verhalten das Amt beschädigt habe, wollte der Sprecher "keine Einschätzung vornehmen". Dennoch sagte Seibert, die Kanzlerin habe "große Wertschätzung" für Christian Wulff. Dessen Interview sei nach Einschätzung der Kanzlerin ein "wichtiger Schritt, das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen".

Das ist offenbar zumindest teilweise gelungen: Nach einer ARD-Umfrage vom Donnerstag - nach dem Interview, aber noch vor dem Mailbox-Streit - fanden zwar 61 Prozent der Befragten Wulffs Auftritt "nicht überzeugend" und 57 Prozent sein Verhalten "peinlich". Dennoch sprachen sich 56 Prozent dafür aus, dass Wulff im Amt bleiben solle - und damit neun Prozentpunkte mehr als am Tag zuvor.

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