Die Neonazi-Terroristen und die NPD: Das Gespenst des Verbotsverfahrens

Der neue Vorsitzende der NPD, Holger Apfel, will der Neonazi-Partei einen sauberen Anstrich geben. Doch Berichte über Verbindungen zum Terrortrio machen ihm Angst.

Die Nähe ist da: Uwe Böhnhardt und der spätere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. Bild: dapd

HAMBURG taz | Die Angst ist da. Zwischen den Feiertagen äußert sich der NPD-Bundesvorsitzende, Holger Apfel, besorgt wegen eines möglichen Parteiverbotsverfahren: "Die Situation ist ernst". Er befürchtet, dass ein Verfahren Wähler abschrecken könnte, Sympathisanten nicht Parteimitglieder werden und Rechtskosten lähmen könnten. "Ein solches Verfahren würde wohl fünf Jahre dauern. Das würde personell Kraft und Zeit binden", sagt er selbst.

Nach dem zufälligen Auffliegen des Neonazitrios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, die zehn Menschen ermordet haben sollen, wird erneut breit über ein Verbot der ältesten neonazistischen Partei Deutschlands diskutiert.

Doch die NPD bestreitet die Verbindungen heftig. Kein Medium der Partei, in dem sie nicht vehement jede Nähe zur NSU verneint. In einem Podcast "Zum Jahresabschluss" führt Apfel auf dem NPD-Portal DS-Aktuell aus, dass eine "beispiellose Pogromhetze" laufen würde, inklusive einer Verleumdung seiner Person weil er vor 15 Jahren an einer Demonstration teilnahm, bei der auch Beate Zschäpe war, die ihm "vollständig unbekannt" gewesen sein soll.

Rechtsextreme Imagebemühungen

Dass mit Ralf Wohlleben ein langjähriger führender NPD-Kader in Haft ist, der während seiner Parteizugehörigkeit dem Trio eine Waffe und Munition zukommen gelassen haben soll, wird weggewischt: Es sei „dreist“, die NPD wegen eines „eventuellen Einzeltäters“ zu kriminalisieren, meint Apfel. Doch so kämpferisch er sich gibt, so besorgt ist er.

Denn die Verbotsdebatte kommt für den neuen Parteivorsitzenden mehr als ungünstig, sagt Martin Langebach, Rechtsextremismusexperte von der Universität Düsseldorf der taz: "In der Öffentlichkeit will er die Partei verstärkt als 'Kümmerpartei für die einfachen Leute' aufstellen".

Doch die Annahme, dass es weitere Verstrickungen der NPD zu der Neonazi-Terrorzelle NSU gibt, laufe diesen Imagebemühungen zuwider, sagt Langebach. Für die rechte Szene müsse die Partei nicht die Distanz suchen. "Um aber in der Mitte der Gesellschaft anzukommen, wo Apfel weiter neue Wähler und Akzeptanz finden will, jedoch schon", sagt Langebach.

Abgrenzung zur Szene

Zugleich verweist die NPD immer wieder auf die Skandale des Verfassungsschutzes. "Ginge es den Etablierten ernsthaft um die Aufdeckung der wirklichen Hintergründe, würden sie den Fokus nicht auf die NPD, sondern auf den Verfassungsschutz richten", so Apfel in einem Interview mit DS Aktuell. In den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern bemüht sich die NPD zudem die "drei jungen Leute" als Marionetten des Verfassungsschutzes darzustellen und fordert den Abzug der V-Männer.

Doch nicht nur den Verfassungsschutz nutzt die Partei als Alibi um sich von „Terrorismus und Gewalt“ zu distanzieren. Sie zieht auch Grenzen zur Szene. Die NPD-Führung erklärte die Neonazis Martin Wiese und Karl-Heinz Hoffmann als "unerwünschte Redner" bei Parteievents.

"Die NPD will Schlagzeilen mit Beziehungen zu Gewalt und Anschlägen vermeiden" sagt Rechtsextremismusexperte Langebach. Wiese saß wegen eines geplanten Bombenanschlags auf das Jüdische Zentrum in München sieben Jahre in Haft, Hoffmann war Gründer der später verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann.

Schon bei dem Verbotsverfahren 2003 versuchte die NPD sich moderater zu gerieren, sagt Langebach und warnt zugleich vor den Gefahren eines erneuten Scheiterns: "Bisher sind die Beweise der Gewaltverstrickung der Partei dünn, die Rolle der V-Leute immer nicht geklärt".

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Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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