Die Nürburgring-Pleite: Kurt Beck droht der Totalschaden

Mehrere hundert Millionen Euro kostete die Modernisierung des Nürburgrings. Jetzt ist der Betreiber pleite, Rheinland-Pfalz muss einspringen.

Schnelle Autos, toller Himmel, hohe Kosten: Das ist der Nürburgring. Bild: dpa

EIFEL taz | Wäre da nicht die stahlgraue Loopingschleife der Achterbahn, man könnte sich vor dem Eingang des Nürburgrings in der Eifel fühlen wie vor einem internationalen Flughafen. Aber nichts rührt sich hinter den Glasfassaden der Hotels, auf den Parkplätzen gähnt die Leere, Restaurants haben geschlossen – und eine gespenstische Stille liegt über der ganzen futuristischen Anlage. Hier hebt niemand mehr ab, hier gibt keiner mehr Gas. Hier geht jemand unter. Wahrscheinlich Kurt Beck.

Dabei liebten die Rheinland-Pfälzer ihren Landesvater für seine bodenständige Ehrlichkeit. Selbst seinen gescheiterten Ausflug als SPD-Vorsitzender nach Berlin sahen sie ihm nach, er sei halt nicht so abgehoben und eher „eener vunn uns“. Als dienstältester Ministerpräsident Deutschlands erwarb er sich sogar den volkstümlichen Ehrentitel „König Kurt“.

Damit ist es vorbei. Am Mittwoch wird er seinen Urlaub an der Mosel unterbrechen müssen, um sich auf einer Krisensitzung des Parlaments in Mainz für das größte Debakel seiner 18-jährigen Regierungszeit zu verantworten – die Pleite des legendären Nürburgrings.

Beck hatte die Rennstrecke mit einem Mix aus Steuermitteln und privaten Beteiligungen in Höhe von insgesamt 486 Millionen Euro modernisieren und zum Konjunkturmotor für die strukturschwache Eifelregion aufhübschen lassen wollen. Bei der Eröffnung im Juli 2009 hatte Kurt Beck noch verkündet, der Steuerzahler werde hier „keinen einzigen Euro“ drauflegen müssen, die staatliche Nürburgring GmbH werde bald von den privaten Pächtern genug Geld einnehmen. Nun sieht es so aus, als wäre die komplette Summe in den Sand gesetzt. Und es kommt beinahe täglich schlimmer.

Schon in der Planungsphase scheiterte die Privatfinanzierung, weshalb die landeseigene Investitions- und Strukturbank (ISB) mit 330 Millionen Euro einsprang. Die können nach der Insolvenz der Nürburgring GmbH nicht mehr bedient werden. Für einen solchen Fall hatte das Land im Haushalt eine Rücklage von 254 Millionen eingeplant.

Die CDU-Opposition eskaliert

Zur Ablösung dieses Kredits durch die Landesrücklage will die Regierung an diesem Mittwoch nun die Erlaubnis des zuständigen Landtagsausschusses einholen – während die CDU-Opposition unter Julia Klöckner eifrig an einer Eskalation arbeitet. Sie hat aktuell eine Expertise in Auftrag gegeben, nach der die Umfinanzierung gegen das EU-Beihilferecht verstoßen könnte. Was wiederum dazu führen könnte, dass auch die ISB zahlungsunfähig würde.

Schon fordern der Bund der Steuerzahler und die Opposition Becks Rücktritt. Überdies will die CDU den Rechnungshof prüfen lassen, ob sich „möglicherweise Anhaltspunkte für strafrechtlich Relevantes“ finden lassen. Auf Schadenersatz klagen will unterdessen die Hotelkette Dorint, die im großen Stil in das Projekt investiert hatte und nun der Landesregierung vorwirft, „massiv gegen Gesetze verstoßen“ zu haben.

Wie verzweifelt deren Lage ist, zeigt schon die Qualität der Strohhalme, an die sie sich klammert: Zuletzt war spekuliert worden, der flamboyante Formel-1-Manager Bernie Ecclestone könnte den Nürburgring kaufen. Auch diese Hoffnung hat sich zerschlagen.

Dabei dürfte sich vor allem der erfolgsverwöhnte Kurt Beck selbst fragen, wie es so weit hat kommen können. Experten halten es für möglich, dass es ihm gerade sein dauerhafter Erfolg schwer machte, sich das Scheitern seines gut gemeinten Projektes einzugestehen. Außerdem könnte Beck auch schlicht abgelenkt gewesen sein – in der entscheidenden Phase war er Bundesvorsitzender der SPD. Aber auch an seiner Redlichkeit wird inzwischen gezweifelt.

Am Donnerstag hatte die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young bereits im Juli 2010 in einem „internen“ Arbeitspapier der Nürburgring GmbH bis 2020 Schulden in Höhe von knapp 192 Millionen Euro vorhergesagt hatten. Und noch im März 2011 war Beck mit der Aussage in den Landtagswahlkampf gezogen, am Nürburgring habe man die Wende geschafft, das Projekt sei auf dem Weg zum „Erfolgsmodell“. Kannte Beck das Papier, dann hat er die Bürgerinnen und Bürger belogen.

Miese Wahlumfragen

Die quittieren die Affäre auf ihre Weise. Seit der letzten Umfrage im Mai ist die SPD um ganze fünf Punkte in der Wählergunst gesunken, abgeschlagen hinter der CDU. Die PoliTrend-Umfrage des Senders SWR hat für die Sozialdemokraten mit nur 31 Prozent einen historischen Tiefstand ermittelt.

Eine Umfrage der Zeitung Die Rheinpfalz dagegen sieht die SPD noch immer knapp vor der CDU – und die Grünen bei satten 15 Prozent. Die trifft im Gegensatz zur lange Jahre alleinregierenden SPD keine Schuld an dem Fiasko, inzwischen sind sie die stabilste Stütze der rot-grünen Landesregierung und ihres angeschlagenen Chefs.

Dessen Verteidungslinie steht seit einiger Zeit fest. Zunächst hatte Beck der EU-Kommission vorgeworfen, wegen ihres einstweiligen Verbots einer zusätzlichen staatlichen Finanzspritze den Nürburgring versenkt zu haben. Nun räumte er in mehreren Interviews ein, die ganze Sache tue ihm „mehr als nur leid“, er übernehme die „Gesamtverantwortung“ für die Lage: „Jetzt zeigt sich, das ist zu groß geraten“, räumte er gegenüber der Süddeutschen Zeitung ein. Zugleich betonte Beck, das Land werde auf keinen Fall „handlungsunfähig“.

Einen Rücktritt freilich schloss er aus und will, wie bereits mehrfach betont, bis zum Ende der Legislaturperiode 2016 im Amt bleiben, „wenn die Gesundheit es zulässt“. Es könnte der Halbsatz mit der Gesundheit aber auch seine ganz private Ausstiegsklausel sein.

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