Gängeviertel-Sprecherin Christine Ebeling über Zusammenarbeit mit der Stadt: „Wir sind im Stress“

Zum fünfjährigen Geburtstag steht die Gängeviertel-Initiative knietief in Verhandlungen mit der Stadt. Es geht um Mitspracherechte und Selbstverwaltung.

Die Stadt kommt in die Gänge: Hamburg investiert 20 Millionen Euro ins Viertel. Bild: dpa

taz: Frau Ebeling, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Wie fühlt man sich mit fünf?

Christine Ebeling: Die Stimmung ist gut, aber wir sind sehr im Stress. Wir befinden uns ja in Verhandlungen mit der Stadt und hatten uns erhofft, damit schon weiter zu sein. Das Gängeviertel wird ja gerade saniert und wir wollen klare Verhältnisse haben, wenn die Sanierung fertig ist. Sprich: Unsere Genossenschaft soll die Verwaltung innehaben. Nun werden neben dem Programm am Wochenende unglaublich viele Gespräche im Hintergrund laufen.

Die Stadt stellt 20 Millionen Euro für die Sanierung zur Verfügung. Das klingt nach viel Geld.

Ist es aber nicht. Die Stadt hat die Häuser jahrelang verrotten lassen. Und schließlich gehören die Häuser der Stadt ja auch selbst, das Geld geht also nicht an uns. Wir wollen die Häuser auch gar nicht besitzen, sondern nur pachten, darin wohnen, sie verwalten.

Warum investiert die Stadt in die Häuser?

Weil sie runtergekommen sind! Und wir zahlen ja schließlich auch Miete für die sanierten Räume. Wenn alles fertig saniert ist, zahlen wir dann auch Miete für die Wohnungen, das ist dann ganz normal sozial geförderter Wohnraum. Geschenkt kriegen wir da nichts. Aber natürlich bringt das Gängeviertel der Stadt auch viel.

Was denn genau?

Ich persönlich finde, wir schenken der Stadt sehr viel. Das Gängeviertel ist in der Welt bekannt, das erleben wir hier täglich mit den vielen Besuchern, die von überall her kommen. Es sind auch Menschen aller Generationen dabei und die nehmen sehr viel mit. Viel von der Hamburger Geschichte zum Beispiel, und alles, was wir hier so an Programm anbieten. Außerdem wird den Leuten klar, was für zwei paar Schuhe Stadtentwicklung sich anziehen kann.

Christine Ebeling, 48, ist Bildhauerin und Gestalterin und arbeitet viel mit Installationen. Sie ist Sprecherin des Gängeviertels.

Das Gängeviertel hat die Vermarktung der Stadt immer abgelehnt. Ist es nicht selbst ein Teil der „Marke Hamburg“ geworden?

Klar, wir sind ja auch ein Aushängeschild für die Stadt, und die Initiative „Komm in die Gänge“ ist selbst auch eine Marke. Die Stadt brüstet sich damit, die Besetzung zugelassen zu haben. Aber realisiert haben wir das Ganze. Wenn das Gängeviertel erhalten werden soll, so wie wir es damals mit der Stadt verhandelt haben, dann ist das viel Arbeit. Man kann auch gemeinsam zu Lösungen kommen, aber das dürfen nicht so 08/15-Lösungen sein, sondern man muss auch mal neue Wege gehen. Die Stadt muss sich überlegen, was sie will: Wenn sie nur noch ein Spielplatz für Touristen sein will, bitteschön. Aber dann wird sie ganz viel verlieren, nämlich ihre Seele.

Wie verortet sich das Gängeviertel im Spannungsverhältnis zwischen Kritik und Vereinnahmung?

Das ist eine Gradwanderung. Einerseits ist hier sehr viel Selbstausbeutung am Start, das kann so nicht weitergehen. Die Stadt muss möglich machen, dass wir hier auf ’ne Null kommen, also nicht selbst drauf zahlen. Das ist schließlich im Sinne aller Beteiligten. Dafür hat die Stadt dann ein lebendiges Stück Geschichte.

Und andererseits? Gibt es Strategien gegen Vereinnahmung?

Ja. Widerständig bleiben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.