Die USA im WM-Halbfinale: The American Spirit

Amerikas Fußballerinnen feiern sich und ihre Superheroes Hope Solo und Abby Wambach. So heldenhaft können eben nur US-Girls den Sieg erringen.

Die Pressesprecherin des American Spirit: Abby Wambach Bild: dapd

DRESDEN taz | Weit aufgerissene Augen. Wie ein Aufputschmittel hat das Viertelfinale gegen Brasilien auf die Spielerinnen von Team USA gewirkt. Hellwach wirkten sie nach dem mehr als 120 Minuten währenden Kampf, der sie in das Halbfinale dieser WM geführt hat. Stolz und aufrecht marschierten sie an den Journalisten und den kreischenden kleinen Autogrammjägerinnen vorbei in den Teambus.

Sie hatten schier Unglaubliches vollbracht. Sie waren am Boden, spielten mit nur noch neun Feldspielerinnen, lagen in der 122. Minute der Verlängerung mit 1:2 zurück und verließen nach dem irrwitzigen Ausgleich durch Aby Wambachs Kopfball in allerletzter Minute und einem souveränen Elfmeterschießen doch als Siegerinnen das Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion. Wie, bitte sehr, haben sie das nur geschafft?

„Wissen Sie, ich komme aus Schweden“, meinte US-Trainerin Pia Sundhage nach dem Spiel und wurde schwülstig. „Diese amerikanische Haltung, an einem Strang zu ziehen und das Beste für alle herauszuholen, das ist einfach ansteckend.“ Und dann: „Ich bin stolz, stolz und glücklich, diese Mannschaft trainieren zu dürfen.“

Zuvor hatte sie noch versucht, ihre Taktik zu erklären, ihr defensives 4-4-2-System, mit dem sie vor allem auf Brasiliens Star Marta reagieren wollte. Doch das interessierte niemanden. Alle wollten nur das eine hören: Die Amerikanerinnen haben gewonnen, weil sie eben Amerikanerinnen sind. Das war die anerkannte Erklärung für das eigentlich unerklärliche Comeback.

„Ich weiß nicht, ob er in unserem Volk angelegt ist, aber er ist eben da.“ Spirit, Spirit, Spirit. Torhüterin Hope Solo war die Erste, die sich in den Minuten nach dem Sieg in Populärethnologie übte. Solo war im von sich selbst berauschten Heldenensemble der USA die Superheldin. Sie hatte im Elfmeterschießen den Schuss von Daiane abgewehrt. Auch da sei sie getragen gewesen von diesem speziellen Geist. Und keiner traute sich mehr zu fragen, ob der hauchdünne Erfolg vielleicht auch irgendwie etwas mit Glück zu tun haben könnte. Selbst Solos entscheidende Parade schien plötzlich logische Folge des typisch amerikanischen Sportsgeistes zu sein.

Siegerinnen-Talk

„Wer uns kennt, weiß, dass wir nie aufgeben“, sagte Sturmtank Abby Wambach hinterher, und es klang wie eine Drohung gegenüber dem Halbfinalgegner Frankreich. Beinahe 30 Minuten lang stellte sie sich den Journalistenfragen und wurde so zur Pressesprecherin des American Spirit. Nach dem 1:2 durch Marta gleich zu Beginn der Verlängerung sei noch einmal ein Ruck durch das Team gegangen. „Wenn wir am Boden liegen, sind wir am stärksten.“ Jaja.

Wer weiß, wie sie geredet hätten, wenn die Entscheidungen der skurrilen Schiedsrichterin Jacqui Melksham die USA den Sieg gekostet hätten. Sie hätten sich wohl zu Recht beschwert über die Rote Karte für Rachel Buehler (65.) nach einem Foul im Strafraum an Marta, das auch nicht jede Schiedsrichterin gepfiffen hätte. Sie hätten sich mehr als nur gewundert über die Entscheidung der Australierin, den Strafstoß, den Hope Solo gehalten hatte, wiederholen zu lassen, weil eine Spielerin mit einem kleinen Teil ihres Körpers in den Strafraum geraten war, bevor Cristiane den Ball schoss.

Der Ausgleich durch Marta, die den zweiten Versuch verwandelte, war nur dem Schiri zu verdanken. „Man muss ohnehin akzeptieren, was die Schiedsrichterin pfeift“, sagte Trainerin Sundhage. „Das hat uns nur noch stärker gemacht.“ So sahen es Solo und Wambach. Und plötzlich erschienen die irrwitzigen Entscheidungen der Schiedsrichterin wie ein Teil des Drehbuches für das Dresdner Heldinnenepos.

Nur Pia Sundhage redete kurz darüber, was auch alle gesehen hatten im Stadion: dass die Amerikanerinnen außer ihrer Kraft und ihrem Willen nicht allzu viel zu bieten hatten. Die frühe Führung durch das Eigentor von Libera Daiane (2.) hat dem Team keine Sicherheit gegeben. „Es ist vielleicht sogar zu früh gefallen“, so Sundhage. Wie gut sie kämpfen und rackern können, haben die US-Frauen am Sonntag gezeigt. Wie gut sie Fußball spielen können, man wird es vielleicht am Mittwoch im Halbfinale gegen Frankreich sehen können.

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