Die Wahrheit: Kreuzfahrer aus Stahl

„Wir halten auf der Full Metal Cruise ein bisschen die Thrash-Fahne hoch“: Als Kulturminister auf einer Heavy-Metal-Kreuzfahrt.

Der Heavy-Metal-Kreuzer trägt den selten dämlichen Namen „Mein Schiff 1“. Bild: frank schäfer

Das ist schon ein selten dämlicher Name für einen Kreuzer der Luxusklasse: „Mein Schiff 1“. Man kann keinen halbwegs vernünftigen Satz damit bilden. „Na, wie war das Zanderfilet mit Brie-Basilikum-Kruste und kleinen Grilltomaten auf der ’Mein Schiff 1‘?“ Wie klingt denn das? Ich hätte „MS Franziska“ vorgeschlagen.

Beim Einchecken bildete sich eine kilometerlange Schlange schwarzgewandeter Menschen. Alle vor mir. Aber an einem mit großen „ARTIST“-Lettern geschmückten Büdchen wartet Rettung. Auf irgendwelchen geheimen, kaum nachvollziehbaren, sehr verschlungenen Wegen lotst mich eine freundliche Dame vom Service direkt zum Check-in-Schalter. Na gut, im Grunde gehen wir an dem schier endlos langen Metal-Lindwurm einfach so vorbei. Zwei, drei aus der Menge wollen uns einen Haker stellen. Aber sie hat mich gewarnt. Wir weichen den ausgestreckten Bikerstiefeln aus, und über die diversen Verbalinjurien – „Vordrängler! Vordrängler!“ – lächeln wir charmant hinweg.

Und dann geht sie endlich los, die „Full Metal Cruise“, die Kreuzfahrt mit harter Beschallung. Leider nicht durch die Karibik, die mir aus dem „Was ist was“-Band „Piraten“ noch in so glorioser Erinnerung ist, sondern nur schnell obenrum, durch den Kanal nach Southampton und wieder retour. Und jetzt ratet mal, wer den Spaß- und Kulturminister an Bord geben darf? Genau, euer freundlicher Metal-Literat aus der Nachbarschaft.

Ich schaue mir die „Himmel & Meer Lounge“ an, wo meine erste Lesung stattfinden soll. Sie liegt ganz oben, auf Deck 12, und man hat eine schöne Sicht vom Bug des Schiffes. Das Hafenpanorama ist alles andere als malerisch, außer für Container-Maler, aber später gewinnt die Perspektive enorm. Es kommen dann auch viele Metalheads her: zum Kuschelrocken und Auspennen ihres Rausches. Und weil sie alle vor dem Hinfläzen auf den Liegeflächen ihre Schuhe ausziehen müssen, riecht es sehr bald nach Jungsumkleide. Ich fühle mich heimisch.

„Klärchen“, rufen die Anwesenden

Allerdings weist nichts daraufhin, dass hier gelesen wird heute Nachmittag. Also mache ich mich auf den Weg ins Produktionsbüro. Vor mir zwei Roadies, die abklären, ob die Hunderter-Marshall-Stacks auch alle da sind, die Ampeg-Amps für den Bass. Nicht zu vergessen das Drum-Kit von Pearl mit Double-Bass … Es dauert eine Viertelstunde, bis alles geklärt ist, dann komme ich irgendwann an die Reihe. „Hi, Mann, was brauchst du?“ – „Einen Tisch und einen Stuhl. Und ein Mikro.“ Er legt mir eine Hand auf die Schulter. „Das kriegen wir hin!“

Beeindruckend sind auch die Walkie-Talkies der Produktionscrew, wie bei der Highway Patrol. Das Mikrofon hängt ziemlich praktisch auf Höhe des Schlüsselbeins, so dass man gleich hineinsprechen kann, wenn man den Kopf dreht. Und schon geht’s los. Einer hat immer was zu funken. „Jörg für Äi-ßi, Jörg für Äi-ßi. Äi-ßi, bidde kommen!“ Ein schon ziemlich alkoholgebeutelter Metalhead spielt gleich mit. „13 auf 47, bitte 13 auf 47!“

Und dann die Musik. Den maskulinen Seefahrer-Folk von Santiano lasse ich mal aus. Es gibt Pfiffe, und die sind nicht alle als Ansporn gemeint. Mambo Kurt gehe ich ebenfalls aus dem Weg. Den Mann, der an seiner Heimorgel noch jeden Song zerdudelt und zerjölt, lieben viele in der Szene. Irgendwo barmt sie immer seine Todestruhe. Ich gehe einfach bugwärts ins Theater, und alles wird gut. Denn dort lassen sich Dew Scented von der halbleeren Lokalität keineswegs den Spaß versauen: „Wir halten auf der Full Metal Cruise ein bisschen die Thrash-Fahne hoch. Ist das okay für euch?“ – „Klärchen“, rufen die Anwesenden.

32.000 Liter Bier sind es nach einer Woche

Die übrigen Kreuzfahrer müssen erst mal ankommen, die vielen Bars und Theken ausprobieren oder sich von den Eleven, die sich mit Kühltruhen übers Schiff verteilen, die eine oder andere bereits geöffnete Dose Bier reichen lassen. Man hat ja Vollpension gebucht. Betonung liegt auf der ersten Silbe. Nur für die avantgardistischeren Getränke wie „Lila Launebär“ muss man zuzahlen.

Ein „betreutes Festival“ sei das, scherzt Holger Hübner, Initiator, Chef und gute Seele der Kreuzfahrt, anderntags bei der Pressekonferenz. Den Eindruck hat man in der Tat. Obwohl nicht nur die große skandinavische Abordnung – „wi ßaggn ßlaraffenlaand zu Full Metal Cruise“ – akkurat abpumpt, 32.000 Liter Bier sind es nach einer Woche, sieht man keine Alkoholtoten in den Gängen, kein Gereihere am Pool, und nicht mal mit Nahrung wird geworfen. Entweder man benimmt sich wirklich halbwegs gesittet oder, und das ist meine Vermutung, an Bord wird Service tatsächlich ganz groß geschrieben und jeder Problemfall von entsprechend geschultem Personal persönlich ins Heiabettchen gebracht.

So gehen die Tage ins Land. Zur „Late-Night-Lesung“ kommt dann keine Sau, aber die Vollpension macht alles wett. Am dritten Tag fällt mir ein euphorischer Metalhead mit roter Nase in die Arme. Wie es ihm denn gefalle? „Isch a Hämmerle!“  

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