Die Wahrheit: Hütchenspiel für Banken

Die Empörung über die irischen Banker ist groß. Dabei haben korrupte Politiker jahrelang ihre Komplizen in der Finanzindustrie geschützt.

Jetzt haben sie den Salat. Irlands Regierung muss einen gigantischen Flohmarkt organisieren, um Geld für die Anteilseigner irischer Banken aufzutreiben. Wie die Webseite PornCrabCombo erfahren hat, sollen in den Ferien auf dem Platz vor dem Dubliner Parlament Leinster House Stände aufgebaut werden, an denen allerlei Waren und Dienstleistungen angeboten werden. Gesundheitsminister James Reilly soll Organspenden entgegennehmen und für fünf Euro den Blutdruck messen. Kunden, die wegen stark erhöhtem Blutdruck kurz vor einem Schlaganfall stehen, kann Reilly beruhigen, denn der Minister ist es gewohnt, Probleme im Gesundheitsbereich herunterzuspielen.

Transportminister Leo Varadkar soll den Verkehr vor dem Parlament regeln, denn der Andrang wird groß sein. Justizminister Alan Shatter kommt am Alkoholstand zum Einsatz. Zu jedem Schnaps gibt es ein von Reilly ausgestelltes Asthmaattest für den Nachhauseweg. Shatter kam nämlich neulich bei einer Verkehrskontrolle um den Alkoholtest herum: Er sei Asthmatiker und könne nicht ins Röhrchen blasen, hatte er den Beamten weisgemacht. Kunstminister Jimmy Deenihan verkauft selbstgestrickte Topflappen, während Sozialministerin Joan Burton Buttergutscheine verlost.

Der Chef hingegen, Premierminister Enda Kenny, betätigt sich als Hütchenspieler, denn es gehört zu seinen Spezialitäten, die Leute hinters Licht zu führen. Seine Empörung über die Chefs der Pleitebank Anglo Irish, die sich in Telefongesprächen über die staatliche Bankenaufsicht und die Politiker lustig gemacht hatten, wirkte fast echt. Dabei hatten die Bankiers allen Grund für Lästereien.

Schließlich haben korrupte Politiker jahrzehntelang die kriminellen Aktivitäten der Banken und der Bauwirtschaft nicht nur geduldet, sondern mit Gesetzen gefördert und gedeckt. Die berechtigte Verachtung für diese Baggage klingt in jedem Satz der aufgenommenen Telefongespräche zwischen den beiden Spitzenmanagern der Anglo Irish Bank mit. Die Veröffentlichung dieser Aufzeichnungen ist allerdings ein Geschenk des Himmels für die Regierung: Sie steht nun als Opfer da, die Bankiers haben den schwarzen Peter. Bestraft werden sie aber nicht, denn das würde jede Menge Dreck aufwühlen.

Die Wähler sind selbst schuld. Sie wählen den Politiker, der sich am meisten bereichert, aber ein paar Krümel für den Wahlkreis übrig lässt. Die Renovierung des lokalen Schwimmbads bringt genug Stimmen, um den Politiker ins Parlament zu hieven, wo er Steuergelder plündert und Pakete mit kleinen Geschenken in seinen Wahlkreis schickt, um seine Wiederwahl zu sichern. Die Liste der Beispiele ist lang, und sie beginnt schon kurz nach der Staatsgründung vor knapp hundert Jahren. So herrscht auf der Grünen Insel schönste Harmonie: Politisch ignorantes Stimmvieh wählt korrupte Politiker, die ihren schützenden Mantel über ihre Komplizen in der Finanzindustrie breiten. Und das geprellte Volk geht zum Flohmarkt vor dem Parlament, um der Bande aus der Patsche zu helfen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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