Die Wahrheit: Der Durchblicker

Schurken, die Welt beherrschen wollen. Heute: Hans-Olaf „Heiland“ Henkel und seine Dauerpredigt von Wachstum, Wettbewerb und Wirtschaft.

Durch bloßes Handauflegen bewirkt Henkel ein Wirtschaftswunder Bild: Hendrik Schmidt/dpa

Unter die „Meinungsführer, Denker, Visionäre“ reihte ihn Buchautor Max A. Höfer ein. „Weltbürger und Grenzgänger“ taufte ihn Evelyn Schels in ihrem Fernsehporträt. Doch kann man einem Hans-Olaf Henkel mit derart abgetragenen Titeln von der Stange gerecht werden? Dem Messias der Wirtschaft, Apostel des Wettbewerbs und Propheten des Wachstums, dem Henkel des Universums und größten Henkel aller Zeiten?

„Wirtschaft heißt Wachstum durch Wettbewerb am Markt zwecks Wachstum der Wirtschaft!“, lautet, aus dem frei schwebenden Gedächtnis zitiert, sein Credo, seit Henkel am 14. März 1940 in Hamburg auf den Markt kam, die Folgejahre mit ungebremstem Wachstum verbrachte, bis das ausgewachsene Produkt im Geschäftsjahr 1962 zum Marktführer wurde. Über 30 Jahre behauptete sich Hans-Olaf Henkel dank seines Wahlspruchs „Mit Leistung durch Leistung zu mehr Leistung!“ erfolgreich im Portfolio von IBM.

Dann fusionierte er mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie, wo er mit Bereitschaft zur Leistung in Eigenverantwortung durch Einsatz auch bei großer Belastung infolge seiner Bereitschaft zu noch mehr Leistung zwischen 1995 und 2000 täglich sein Glaubensbekenntnis auspackte: „Deutschlands Erfolg am Weltmarkt verdankt sich der Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft, deren Erfolg auf Wachstum und Erfolg am Weltmarkt beruht!“

Und malte eine schwarze Zukunft an die Wand: „Gewerkschaften und Staat gehen dem freien Unternehmer an den Sack, weshalb die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft bald genauso weggeblasen sein wird wie die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit!“ Sodann knallte er die Lösung auf den Tisch: „Wir brauchen weniger Staat und mehr Wirtschaft, weil allein mehr Wirtschaft der Wirtschaft hilft, während mehr Staat zu noch mehr Vorschriften und Ermittlungen führt. Deshalb Beamte weg, Steuern runter und Marktwirtschaft rauf!“

Schon bei IBM hatte Henkel („Nur der Markt bringt durch Wettbewerb den Markt voran!“) die Sonntagsarbeit für die anderen erfunden und den Flächentarifvertrag eigenhändig abgesägt. Jetzt, beim BDI, wollte er den kugelrund gewordenen Sozialstaat eindampfen und ein neues, schmales Tarifsystem auskochen, eines ohne Tarif und ohne System.

Als Mann der Wirtschaft ist Hans-Olaf Henkel objektiv und auch nach ärztlichem Urteil gänzlich ideologiefrei; er ernährt sich allein von Sachverstand („Die Wirtschaft ist für die Wirtschaft da. Deshalb Hände und Füße weg von der Wirtschaft!“). Was links Gewickelte sagen und schreiben, geht ins eine Auge rein und zum anderen wieder raus. Nicht so, was der richtig herum geeichte Fachmann Hans-Olaf Henkel äußert – ob in Focus, Handelsblatt und Die Welt oder in Büchern wie „Die dummen Euro-Lügner 2013. Von einem klugen Euro-Befürworter 2002“! (Titel sinngemäß)

2001 wurde der Durchblicker daher von der Leibniz-Gemeinschaft übernommen und forderte mehr Wettbewerb unter den Hochschulen, damit es auch im stillen Winkel jenseits der Wirtschaft mehr Wettbewerb unter den Wettbewerbern gibt. Anschließend wurde der Bescheidwisser von der Bank of America akquiriert, wo ihm die schnurgerade Entdeckung gelang, dass die Finanzkrise nicht von der Bankwirtschaft, sondern von Kleinkunden ausgebrütet wurde, die fahrlässigerweise ohne Kapital und Firmenbesitz durchs Leben schippern.

Hans-Olaf Henkel („Wirtschaft, Wettbewerb, Wachstum und Markt bilden das gesunde Dreieck der Wirtschaft. Und umgekehrt!“) ist nämlich ein „Obelix der Denkkraft“ (Focus), ein „Experte mit Expertisen aus Gold“ (Handelsblatt), kurz „der Henkel aller Henkel“ (Die Welt). Besonders bemerkenswert dabei: Hans-Olaf Henkel („Die Wirtschaft der Wirtschaft ist die Wirtschaft der Wirtschaft für die Wirtschaft“) hatte nur Mittlere Reife gelernt! 2014 trat er daher der Professorenpartei AfD bei, was als gleichwertig mit einer Habilitation angesehen werden kann.

Mit der AfD hofft Hans-Olaf Henkel sich nun eine Beteiligung am Europaparlament zu sichern und den Euro niederzuringen (Parole: „Der Euro ist infolge des Euros den Euro nicht wert“). Doch selbst wenn die Investition sich in Luft zerlegt und er an einem Sitzplatz im Parlament vorbeirutscht: Reicher Lohn ward Henkel (Lebensmotto: „Wirtschaft heißt dreierlei: Wirtschaft, Wirtschaft und noch mal Wirtschaft. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!“) längst zuteil.

Die ewige Karmarsch-Denkmünze der TU Hannover von 1991 singt seinen Ruhm, der Hans-Olaf-Henkel-Preis für Wissenschaftspolitik im Namen Hans-Olaf Henkels preist seinen Namen, der jüngst aufgegabelte Vogel Aegypius tracheliotus olafhenkeli (Tierart nachempfunden) betoniert seinen Ruf im Tierreich. Hans-Olaf Henkel kann stolz sein auf Hans-Olaf Henkel! Sein nunmehr 74 Jahre langer Leitsatz lautet denn auch: „Du bist nichts, die Wirtschaft alles. Das heißt, ich bin schon was!“

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