Die Wahrheit: Salzwasser statt Bier saufen

Warum wollen eigentlich so viele Wahnsinnige von England nach Frankreich schwimmen und nicht umgekehrt? Vielleicht liegt es an den Engländern.

Andauernd springen Menschen in den Ärmelkanal und versuchen, von England nach Frankreich zu schwimmen. Hat ihnen niemand gesagt, dass auf dem Kanal Fähren verkehren? Man kann sogar mit der Eisenbahn fahren. Es ist nicht die kulinarische Verzweiflung, die diese Menschen in der Hoffnung auf eine anständige französische Mahlzeit ins Wasser treibt, sondern die Hoffnung auf eine Zeitungsnotiz.

Der Erste war Matthew Webb, der 1875 durch den Kanal schwamm. Er benötigte knapp 22 Stunden. Der Australier Cyril Baldock ist mit 70 Jahren der bisher älteste Kanalschwimmer. Das Bier bei seiner Ankunft in Frankreich habe besser geschmeckt als das Salzwasser, das er unterwegs geschluckt habe, sagte er danach. Zum Glück ist er nicht in umgekehrter Richtung geschwommen, sonst hätte er das Salzwasser bevorzugt.

Jackie Cobell stellte auch einen Rekord auf. Die 56-Jährige ist die langsamste Schwimmerin, die jemals den Ärmelkanal durchquert hat. Sie brauchte, anders als der bulgarische Rekordhalter Petar Stojtschew mit knapp sieben Stunden, fast 29 Stunden. Durch Strömungen kam sie vom Kurs ab und hatte am Ende 100 Kilometer statt 35 Kilometer zurückgelegt. Der Ire Paraic Casey schaffte dagegen nur 34 Kilometer: Er soff einen Kilometer vor der französischen Küste ab – kurz nachdem er getwittert hatte, dass er müde sei.

Für John van Wisse ging der Rekordversuch anfangs gründlich schief. Der Australier wollte den Triathlon-Rekord des Briten Mark Bayliss brechen. Der hatte die Strecke vom Arch zum Arc – vom Londoner Marble Arch zum Pariser Arc de Triomphe – in 73 Stunden und 39 Minuten zurückgelegt, und zwar rennend, schwimmend und radfahrend. Van Wisse war von London nach Dover gerannt, doch bevor er sich in den Kanal stürzte, wollte er ein Erinnerungsfoto machen lassen. Dafür kletterte er in ein Boot, sprang ins Wasser und schwamm an Land.

Der Engländer an sich ist jedoch ein wachsames Volk und schützt seine Insel vor ungebetenen Gästen. Zahlreich wurde die die Polizei alarmiert; ein illegaler Immigrant sei soeben angelandet. Die Beamten informierten die Küstenwache und die Grenzschützer, die van Wisse festnahmen. Zu seinem Glück überzeugte er die Sicherheitskräfte davon, dass er nicht eingewandert, sondern im Begriff sei, England zu verlassen. So konnte er am Ende Bayliss’ Rekord um zwölf Stunden unterbieten. Wäre er nicht durch die Ordnungshüter aufgehalten worden und hätte er sich nicht in London verlaufen, wäre er noch schneller gewesen, lamentierte er.

Wenigstens sind ihm keine Schiffe dazwischengekommen. Die durchqueren den Ärmelkanal, die meistbefahrene Wasserstraße der Welt, auf der auch noch Linksverkehr herrscht, nämlich blind. Ihre Navigationssysteme werden von Drogenhändlern lahmgelegt, damit Autos mit illegaler Fracht nicht geortet werden können. Vielleicht sollten die Gangster lieber Schwimmer einsetzen. Die sind nicht zu orten, und in einen Neoprenanzug passt eine ganze Menge Stoff.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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