Die Wahrheit: Eine Orgie auf der grünen Wiese

In Westirland frönen Stiere mit wissenschaftlicher Unterstützung ihrer Männlichkeit. Manchmal kommt allerdings der Falsche zum Zug ...

Unter Nachbarn hilft man sich auf dem Land. Als Michael, ein Bauer aus dem westirischen Dorf Fanore, neulich seinen Freund Pat bat, ihm zu helfen, seinen Stier von der Alm zu holen, weil der sich am nächsten Tag dem Tuberkulosetest unterziehen musste, war Pat sofort zur Stelle. Simon, der Stier, hatte sich auf seiner Weide offenbar gelangweilt und ließ sich bereitwillig ins Tal führen.

Mick und Pat saßen bei einer Tasse Tee und plauderten, als sie einen Knall hörten. Simon hatte das Gatter zur Nachbarweide durchbrochen und machte sich an einer fremden Kuh zu schaffen. Wenn eine Kuh brunftig ist, schafft es keine Armee, einen Stier von ihr wegzuzerren. Simon ist fünf Jahre alt und wiegt über eine Tonne. Also versuchten Mick und Pat, die Kuh auf Micks Wiese zu bugsieren, was ihnen gelang. Simon folgte ihr zunächst. Doch dann machte er kehrt, rannte auf die Nachbarwiese zurück und stürzte sich auf eine andere Kuh. Was war hier los? Mick rief Seamus an, den Besitzer der Kuhherde. Als er wieder auflegte, war er kreidebleich.

„Ich sitze in der Tinte“, sagte er. „Seamus hat seine Herde synchronisiert.“ Das bedeutete, dass er den 30 Kühen Hormone verabreicht hatte, damit sie alle gleichzeitig brunftig wurden. Am nächsten Tag wollte er sie künstlich besamen lassen. Er hatte bereits für jede Kuh den passenden Samenspender per Katalog ausgesucht. Der Pharmakonzern, der das Experiment finanzierte, um herauszufinden, wie wirksam die Hormonbehandlung sei, hatte jeder Kuh eine Vorrichtung umgeschnallt, die durch eine rote Lampe signalisierte, wann die Kuh brunftig wurde. Der Konzern konnte zufrieden sein. Vor Micks und Pats fassungslosen Augen leuchtete es innerhalb einer halben Stunde auch bei den übrigen 29 Kühen. Simon wähnte sich im Paradies. Mick und Pat gingen wieder ins Haus, um den inzwischen kalten Tee zu trinken.

Nach einer Stunde gab Simon auf. Er war fix und fertig, er bebte am ganzen Körper, die Zunge hing ihm aus dem Maul, und er japste nach Luft. Seine Hoden waren auf die Größe von Murmeln geschrumpft. Mick führte ihn wie ein Lamm nach Hause und duschte ihn kalt ab, weil er völlig überhitzt war. Harry, der Stier von Seamus, war während der Orgie in seinem Stall angekettet, weil die Herde ja künstlich besamt werden sollte. Durch das Stallfenster musste er hilflos mit ansehen, wie ein fremder Stier sichtlich Spaß mit seinen Kühen hatte.

Seamus war genauso verärgert wie sein Stier. Er hat am nächsten Tag dennoch die nicht gerade billige künstliche Besamung vornehmen lassen, weil niemand wusste, welche Kühe von Simon erledigt worden waren. Das wird sich in neun Monaten herausstellen. Dann wird man sehen, wie viele kleine Simons munter auf der grünen Wiese herumtoben.

Simon liegt seit dem für ihn so erfreulichen Nachmittag auf seinem Strohlager im Stall und schläft die meiste Zeit. An seiner eigenen Kuhherde hat er momentan kein Interesse. Mick glaubt, ein Lächeln in seinem Gesicht erkennen zu können.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.