Die Wahrheit: Von einer Hand in alle Fressen

Der ehemalige Beef!-Chefredakteur und passionierte Fleischfreund Jan Spielhagen wird Herr aller Foodmagazine im Verlag Gruner + Jahr.

Bislang das täglich Brot des Jan Spielhagen: Fleischverherrlichung im Fachblatt für Griller. Bild: reuters

Gestorben wird immer, gegessen auch. Oft führt Letzteres zu Ersterem, und vielleicht hat diese Beobachtung den Verlag Gruner + Jahr dazu bewogen, das Unvermeidliche mit dem Unvermeidlichen zu kombinieren: Jan Spielhagen, der Erfinder von Beef!, dem Magazin für carnivore Besserverdiener, wird Chefredakteur sämtlicher Food-Titel im Programm. Prost Mahlzeit, möchte man dem Mann gratulieren, einen gesunden Appetit muss man ihm nicht wünschen, den hat er offensichtlich schon.

Je länger man das Pressefoto Spielhagens betrachtet, desto weniger dringlich erscheint die Frage, wie er diese Mammutaufgabe stemmen will. Ein Blick in die treuen Augen, auf die kompetenztriefende Haartolle und dahin, wo sich bei vielen anderen Menschen ein Hals befindet, beruhigt einen sofort, sediert sogar fast: Dieser Mann vermag es, uns alle zu füttern.

Auch für den Geringsten unter uns, der zur Nahrungsbeschaffung ganz tief in den Abfallcontainer tauchen muss, hat er ein Herz, ein offenes Ohr, oder zumindest ein paar Hochglanzfotos, die zeigen, wie echter Schmackofatz auszusehen hat. Auch über die Kräuterfreunde wird Spielhagen wachen und über all jene, bei denen es aufgrund schlechter Jobwahl und nicht zu Ende gedachter Familienplanung schnell und günstig gehen muss.

Er wird ein gütiger Hirte sein. In seinen Editorials eben nicht die Vegetarier schelten, sondern uns alle überraschen. Ähnlich wie Papst Franziskus, der Homosexuelle im hingenuschelten Nebensatz toleriert, sich auf Rückfragen aber taub stellt, wird auch Spielhagen die Käufer von Mittelklasse-Fressheftchen wissen lassen: „Es muss nicht immer Fleisch sein. Das gilt notfalls gelegentlich sogar für den Hauptgang.“

Denn Spielhagen weiß, dass Leserinnen weiblich sind, also Frauen. Und sogar die müssen gelegentlich essen beziehungsweise kochen, wenn der Grill mal kalt bleiben sollte. Dieses Toleranzverständnis würde zu einem Mann passen, dessen persönliches Credo so simpel wie steinzeitlich ist: „Fleisch auf Feuer gut, teuer Fleisch auf Feuer mehr gut!“ Auf diesem Erfolgsrezept gründet schließlich sein bester Sauerbraten im Stall, Beef! Das Blatt für den distinguierten Hackepeter war bislang das Sahnehäubchen auf der Karriere Spielhagens. Und ganz ähnlich wie beim braven Rindvieh, das Spielhagen so liebt, war der Weg des Journalisten ins Foodsegment vorgezeichnet.

Unter verräucherten Balken, namentlich in den Redaktionsräumen von Tango und Neue Revue, hing der junge Spielhagen lange und tüchtig ab und setzte als Chef der Bahn-Propaganda-Postille mobil schließlich delikaten Edelschimmel an. Dort muss er den Blick fürs lukullische Detail gelernt haben: Wer – außer einem in allen Laken gepökelten Vollblutprofi – könnte nur durch Betrachtung eines Coverfotos Hannelore Elsner von Iris Berben unterscheiden? Wer kann Bahn-Comfort-Kunden-Reisen in die Uckermark für 2.000 Ocken anbieten und sich in derselben Ausgabe hingebungsvoll um die lieben Kleinen kümmern, die er auf der Kinderseite „mobilino“ auf Herz und Nieren prüfen ließ: „Siehst du mehr Schweine oder mehr Frösche auf dem Suchbild?“ Die Antwort war selbstverständlich wurst.

Spielhagen weiß und sieht alles, und zwar blutig bis well done, aus allen erdenklichen Perspektiven fotografiert, mal als Cumshot-Orgie für Foodporn-Junkies, mal mit stilvoll weißem Seitenrand – denn der gehört dem Gast, der etwas mehr zahlt. Jan Spielhagen weiß nicht nur, welcher Messerblock zum Schächten schön ist, sondern auch welcher zum Distinktionsmerkmal taugt. Ihm kann vertraut werden, egal ob es durch die staubigen Küchen Abchasiens, in die stillgelegten Frittenschmieden Castrop-Rauxels oder die Hummerhölle von St. Tropez geht.

Nur mit ihm will man ein Kalb 100 Tage lang begleiten, miterleben, wie es erst von Jamie Oliver taub gestreichelt, dann zu magerem Vitello tonnato gebürstet wird, den Aufstieg zum Schnitzel mit Bravour und Parmesanpanade schafft, bis sein Herz schließlich in einer rundumbeharrten Männermaulhöhle aufgeht.

Ebenso gut steht es um Spielhagens Schlachtreife. Er ist bereit, und man muss ihn einfach so lieben wie ein gutes Steak: Mit mürbem Kern, aber mit einer dicken Fettschicht rundherum, die nur das Auge mitessen sollte. Sonst muss man wieder Sport machen, gegen das Hüftgold. Aber wie soll das gehen, jetzt, wo Großgourmet Jan Spielhagen nicht mehr Chef bei Men’s Health oder Healthy Living ist? Ein alarmierender Gedanke, der ein flaues Gefühl im Bauch hinterlässt. Vielleicht etwas essen. Aber was nur, auf die Schnelle, so ganz ohne Anleitung? Vielleicht warten wir besser noch, bis Spielhagen die neuen Titeln vorstellt: Nuke it! – Die neue Mikrowellenküche, das Nostalgieblatt Bütterken (mit guter Butter), das kulinarische Survivalmagazin Urban Roadkill oder die Pflichtlektüre für alle, die die Schnauze längst voll haben: Satt! Letzteres ist der Markt aber wohl noch lange nicht.

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