Die Wahrheit: Crunch! Bounce! Bang!

Das jüngst aufgezeichnete Echo des Urknalls lässt nicht nur Astrophysiker jubeln. Auch Presseorgane knallen vor lauter Begeisterung durch.

Der Knall, der aus der Kälte kam: Auf der Amundsen-Scott-Station am Südpol hat man ihn gehört. Bild: reuters

Durch die Stille des ewigen Eises am Südpol drangen unlängst ungewöhnliche Geräusche: Korken ploppten, und Champagner schäumte zischend in klobige Kaffeebecher mit lustigen Aufdrucken wie „I Herzsymbol Einstein“. Was brachte die sonst so besonnenen Astrophysiker in ihrer Forschungsstation Iglu I so aus dem Eishäuschen?

Sie hatten als Erste das „Echo des Urknalls“ (Universum aktuell) gehört! Mit einem Teleskop, das sie aus einigen Mikrowellen selbst zusammengebaut hatten, war es den Astrophysikern gelungen, den Urlaut unseres frisch geborenen Universums aufzuzeichnen. Die Weltpresse überschlug sich: Die Welt berichtete mit roten Wangen vom „Nachglühen des Urknalls“, Neues Deutschland verortete „Kosmisches Rauschen im Neandertal“, und die Zeit fiel vor Begeisterung völlig aus ihrem gediegenen Bilderrahmen bildungsbürgerlicher Metaphern. Als hätte sich unsere Galaxie bei der eigenen Geburt selbst fotografiert, bejubelte sie den universalen „Selfie vom Urknall“.

Wie kann man so ein uraltes Echo überhaupt aufzeichnen, wird der interessierte Leser fragen. Saust das gewaltige Echo des Urknalls immer noch von einer Seite des Universums zur anderen, oder was ist da los? Ja, nach der Theorie der neuen Nachhaltigkeit geht nichts verloren in unserem Universum, es verhallt nur unendlich langsam. Und wer Ohren hat zu hören, der hört anstelle des Halls eben den Nachhall.

Auf der Lauer in der Antarktis

Deswegen hatten sich die gewieften Forscher mit ihrem höchst empfindlichen Teleskop in der ruhigsten Wohngegend unserer Erde – in der Antarktis – auf die Lauer gelegt. Wenn man irgendwo ein Urknall-Echo hören würde, dann dort! Und sie sollten recht behalten: bang! Die Forscher hatten urzeitliche Gravitationswellen aus der kosmischen Sinfonie gefiltert und mit ihrem empfindlichen Tonbandgerät, einem Gerät der Marke Uher, aufgezeichnet.

Dass es sich um uralte Wellen handeln musste, konnte der erfahrene Akustiker sofort an den von der Zeit abgeschliffenen Ausschlägen – den Peaks – der Aufzeichnung erkennen. Und hören konnte er es auch: Das uralte Echo pustete der gesamten Stationsbesatzung die Trommelfelle weg, ehe man den Verstärker herunterdrehen konnte. Dabei waren die Gravitationswellen nur das um ein Billionstel eines Billionstels eines Billionstels verminderte Echo des Nachhalls, anderenfalls wären alle Kaffeetassen auf einen Streich zersprungen!

Die Gravitationswellen waren eben glücklicherweise nur Hintergrundstrahlen, und doch waren sie schon beim großen Urknall dabei, nur hielten sie sich schon damals im Hintergrund. Und wie entstehen Gravitationswellen? Bild hält ein schönes Bild für unsere Fußballfreunde bereit: „Wie ein Fußball, der in einem ruhigen Teich auf dem Wasser liegt. Er bewegt sich rauf und runter und erzeugt so kleinste Wellen.“ Den Urknall selbst sollten wir uns dagegen eher wie einen fulminanten Lattenkracher vorstellen.

„Knallchargen“ Wortforscher

Ein schönes Forschungsergebnis zu finden ist eine Sache, es wirkungsvoll unter die Leute zu bringen eine ganz andere. Deshalb kommen heutzutage auf einen Teilchenforscher zehn Wortforscher, die knallige Namen für die Forschungsergebnisse finden müssen. Etwas missgünstig werden diese Forscher von ihren Kollegen „Knallchargen“ genannt, was diese natürlich gar nicht gern hören.

Das Aufpusten des Universums nach dem Urknall nannten die Astrophysiker trocken „Inflation“ – eine Marketingabteilung für Explosionsnamensforschung blies die Aufblähung des Universums zum „Big Boost“ auf. Dass man aber auch mit dem ollen Inflationsbegriff viel Wind machen kann, bewiesen die astrophysikalischen Werbetexter der FAZ: „Die Inflation hat nicht nur die Raumzeit geglättet, sondern auch die quantenmechanischen Fluktuationen aufgebläht.“

Zurück fluktuiert zum großen Knall: Der Begriff „Big Bang“ (großer Hau) für den Urknall wurde von dem erklärten Gegner der Urknalltheorie, Sir Fred Hoyle, geprägt, der sich damit über seine Kontrahenten lustig machen wollte. Wie man weiß, erreichte er das Gegenteil und machte seine Gegner berühmt. Jedes Urknallmodell braucht natürlich seinen ureigenen Namen für den jeweiligen Urknall.

Die bekanntesten neben dem guten alten „Big Bang“ sind der „Big Bounce“ der Schleifenquantenkosmologen. Diesem könnte der „Big Crunch“ vorangegangen sein, bei dem unser Vorgänger-Universum in ein schwarzes Loch kollabierte. Andere Untergangsszenarien sind als „Big Rip“, „Big Chill“, „Big Whimper“ und „Big Freeze“ bekannt – beim Sterben von Galaxien geht es sprachlich zu wie im Burger-Laden. Was ein guter Urknallforscher heutzutage braucht, ist jedenfalls ein strapazierfähiges Trommelfell. Eine krachige Marketingabteilung mit einem großen Hau kann aber auch nicht schaden.

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