Die Wahrheit: Gesellige Fische in Designermöbeln

Ich habe mir ein Foto von einem Labrador-Welpen auf den Schreibtisch gestellt. Das soll die Konzentrationsfähigkeit beim Arbeiten um zehn Prozent steigern...

Ich habe mir ein Foto von einem Labrador-Welpen auf den Schreibtisch gestellt. Das soll die Konzentrationsfähigkeit beim Arbeiten um zehn Prozent steigern, so haben Wissenschaftler herausgefunden. Der Niedlichkeitsfaktor sei schuld daran, denn Bilder von Jungtieren lösen positive Emotionen aus, und schon geht die Arbeit leichter von der Hand. Die Kontrollgruppe, der die Wissenschaftler Fotos von leckerem Essen auf den Tisch gestellt hatten, arbeiteten hingegen so langsam wie zuvor. Ich habe das Bild von der Roulade mit Rotkohl, das bisher auf meinem Schreibtisch stand, weggeworfen.

Ob das auch in England funktioniert, ist zweifelhaft. Der Engländer bevorzugt Fische. Ein Zehntel aller Haushalte besitzt ein Aquarium – allerdings nicht so ein extravagantes wie die beiden schlichten Fußballer John Terry und David Beckham, bei denen der Fischtank ein Designermöbel ist. Die Engländer halten geschätzte 65 Millionen Fische als Haustiere, mehr als ein Fisch pro Person – und mehr als Katzen, Hunde, Hamster, Meerschweinchen und Karnickel zusammen. Chris Ralph vom Verband der Aquarianer sagt: „Fische sind wundervoll, manche sind verspielt und gesellig, andere sind ungestüm oder übermütig. Und man muss nicht mit ihnen Gassi gehen.“ Aber Fische sind nicht niedlich, selbst die nassen Jungtiere nicht.

Doch man kann sie versichern. Seit 2010 hat sich der Versicherungsbetrug mit Tieren vervierfacht. Die Gauner kassieren rund zwei Millionen Pfund jedes Jahr. Fast jedes Tier kann versichert werden, Eintagsfliegen vermutlich ausgenommen. Manche Besitzer verkaufen die Tiere heimlich oder bringen sie gar um, damit sie die Versicherungssumme kassieren können.

Aber Tiere sind auch nur Menschen, sie leiden unter Schlafstörungen, Phobien, Trennungsangst, Magersucht, Stress und Depressionen, so haben Tierärzte in Großbritannien herausgefunden. Betroffen seien nicht nur Hunde und Katzen, sondern auch Karnickel und Hamster. Hängt die Studie möglicherweise damit zusammen, dass die britische Pharmaindustrie demnächst Glückspillen für Tiere auf den Markt bringen will? Selbst Papageien sollen das neue Medikament schlucken.

Dabei wären die Tabletten für Vogelbeobachter angebrachter. Früher war „bird watching“ ein gesittetes Hobby älterer Engländer mit Tweedmützen. Das hat sich gründlich geändert. Immer häufiger muss die Polizei eingreifen, weil sich manische Vogelbeobachter um die besten Plätze prügeln. Manche scheuchen die Tiere auf, um Action-Fotos zu schießen, was andere handgreiflich zu verhindern versuchen. Der um den Ruf des Hobbys besorgte Verband der Vogelbeobachter – es gibt für jede Freizeitbeschäftigung einen Verband Gleichgesinnter – hat in der Zeitschrift British Birds, der Bibel für Vogelbeobachter, einen Verhaltenskodex aufgestellt.

Der Trick mit dem Welpenfoto auf dem Schreibtisch hat übrigens funktioniert. Ich habe für diese Kolumne zehn Prozent weniger Zeit gebraucht als vorige Woche. Das muss mit einer Roulade gefeiert werden.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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