Die Wahrheit: Allein unter Echsen

Das Krokodil hat derzeit mächtig Konjunktur. Wie gut, dass man viel über das Reptil aus alten Büchern lernen kann.

Glücklicherweise gibt es gar keine gigantischen Krokodile – oder doch? Jedenfalls sollte man nie den Kopf in ein Krokodilmaul halten. Bild: reuters

Die Sommerzeit ist die Zeit der Alligatoren. Überall tauchen sie unvermutet auf, ob im Mittleren Klauensee bei Schwandorf oder mitten in Frankfurt. Dort war der drei Meter große und 170 Kilogramm schwere Alligator Ali nächtens „durch die Stadt geschlendert“ (Frankfurter Rundschau). Seine Besitzer, die Betreiber einer Reptilienschau, versicherten allerdings beschwichtigend, dass es sich um „das wohl friedlichste Krokodil der Welt“ handeln würde. Doch war das wirklich nur entspanntes Schlendern und nicht etwa ein Pirschen und Schleichen?

So viel ist sicher, das gemeine Krokodil ist ein passionierter Nachtjäger, der gern tagsüber träge auf seiner Lieblingssandbank vor sich hin döst. Doch „mit dem Hereinbrechen des Abends beginnen die Krokodile lebendig zu werden und rüsten sich zur Jagd. Es fällt dem Wasserungetüm manches Menschenleben zum Opfer, namentlich Weiber und Kinder, die zum Wasserschöpfen kommen“, berichtet der Brandenburger Schriftsteller Wilhelm Lackowitz bereits 1900 im „Buch der Tierwelt“.

Sollte es sich also einmal nicht um das friedlichste Krokodil der Welt handeln, müssen wir uns bei einer Begegnung mit einem Reptil richtig verhalten. Begegnen wir dann einer Panzerechse im Wasser, sollten wir das feuchte Element schnellstmöglich verlassen, denn „auf dem Lande ist das Krokodil erbärmlich feig“ („Brehms Tierleben“). Alfred Edmund Brehm weiß schon im 19. Jahrhundert: „Niemals denkt es daran, den Menschen landeinwärts zu verfolgen.“

Treffen wir ein Krokodil an Land in der Frankfurter Innenstadt, umso besser. Denn zu Lande greift es nur dann an, wenn es ein Weibchen ist und seine Eier bewacht. Um so ein Tier könnte es sich handeln, wenn seine Stimme laut Brehm vom Knurren oder Fauchen in dumpfes Brüllen übergeht. Sollte es also wider Erwarten doch zur Attacke kommen, so gilt: „Schnelle und entschlossene Gegenwehr scheint das Krokodil zu verblüffen und in Furcht zu setzen“, berichtet der alte Brehm.

Er selbst probierte einiges aus, um ein gefangenes Nilkrokodil zu verblüffen: „Wir stachen es mit Nadeln, streuten ihm Schnupftabak in die Nase, legten ihm glühende Kohlen auf die Haut und quälten es sonst noch, ohne dass es das geringste Unbehagen gezeigt hätte. Nur Tabakrauch schien es nicht vertragen zu können.“ Na also, erst mal eine Fluppe anzünden, wenn wir eines Krokodils ansichtig werden und es dann kräftig anpusten. Das müsste eigentlich genügen. Dann bis später, Älligätor!

Was aber eigentlich das eher träge und ortstreue Tier in unseren Fußgängerzonen umtreibt, ist weitgehend unklar. „Den einmal gewählten Standort behauptet es mit Beharrlichkeit und Zähigkeit“, erklärt Brehm. Dieser Eigenschaft und der Tatsache zum Trotz, dass das Krokodil an Land eigenartig „unbehülflich“ ist, wie das „Thierleben der Erde“ um 1900 höhnt, da ist noch etwas anderes. Übereinstimmend berichtet die Reptilienliteratur von einer Art Wandertrieb des Krokodils. Das bewegt sich, wie das „Thierleben der Erde“ weiter weiß, „unter gewissen noch nicht klaren Umständen von einem Wasserplatz zum anderen“.

Die „kleinen Reisen landeinwärts“, von denen Brehm berichtet, sind sicherlich nicht der „rücksichtslosen Raubsucht“ (Brehm) des Krokodils geschuldet, und wenn es nicht die Unruhe der Ranz ist, die das Tier umtreibt, dann mag es tiefer liegende Angst vor dem Austrocknen des heimatlichen Tümpels sein. Denn wenn das passiert, muss sich die Echse tief in den Schlamm einwühlen und verfällt in eine Art Sommerstarre. Und in die verfallen wir auch am besten, wenn wir einem Krokodil begegnen und keine Zigaretten dabei haben!

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kari

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