Die Wahrheit: „Eth ith alleth thön“

Jetzt, wo die akute Frostgefahr abnimmt, muss mit der Suche nach den Hintermännern begonnen werden. Ein Terrorismusexperte über Winterterror.

Ein Schlittenfahrer im Schnee

Radikaler Sportist übt Eisbombe im Trainingscamp einer Winterberger Wintersprortzelle Foto: dpa

Alles redet über Donald Trump oder die SPD, der letzte IS-Anschlag ist bereits etwas her. Was machen die Terrorismusexperten in dieser Zeit, was beschäftigt sie? Malte-Holger Ortveßen arbeitet als Terrorismusexperte für nahezu alle Fernsehsender. Wir sprachen mit ihm – über das Wetter.

taz: Herr Ortveßen, ganz schön kühl derzeit, nicht wahr?

Malte-Holger Ortveßen: Das ist richtig. Die Kälte konnte ungehindert nach Deutschland einwandern und lebte lange mitten unter uns. Unsere Sicherheitskräfte hatten dem nichts entgegenzusetzen. Eine besorgniserregende Situation.

Wurde denn adäquat auf den Wintereinbruch reagiert?

Im Großen und Ganzen ja. Während der ersten Schneestürme wurde die Bevölkerung dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben, geschlossene Räume nach Möglichkeit nicht zu verlassen und sich auf keinen Fall ungeschützt im Freien aufzuhalten. Die deutschen Behörden verfügen ja über speziell ausgebildete Sicherheitsdienste, die in Katastrophenfällen wie diesem sofort eingreifen.

Welche Dienste meinen Sie da?

Wetter- und Winterdienst, Räumdienste. Sie waren pausenlos im Einsatz, zum Teil mit speziell gepanzerten Fahrzeugen.

Herr Ortveßen, wissen Sie etwas über die Opferzahlen des Winters?

Ja, im Ostharz wurde gestern eine Autofahrerin aufgetaut, die in einer Schneewehe stecken geblieben war, ihre letzte SMS tippte sie vor zehn Tagen: „Warte nur kurz auf Tauwetter. Bussi“. Wie bei vielen Katastrophen leiden vor allem die Kinder. In Heilbronn musste eine Gruppe 6-Jähriger aus einer Schneeballschlacht evakuiert werden. In Konstanz fror ein 13-Jähriger mit der Zunge an einem Laternenpfahl fest. Die Polizei konnte ihn nach sechs Stunden befreien. Zeitweise musste in ganz Konstanz der Strom abgestellt werden, damit die Feuerwehr den Halbstarken aus der Laterne heraussägen konnte.

Wie geht es dem Jungen?

Die Zunge konnte befreit werden. Der Junge ist wohlauf, ich konnte schon mit ihm telefonieren, er sagte, ich zitiere: „Eth ith alleth thön, mir geth’ thuper.“

Eine hoffnungsfrohe Nachricht in schweren Zeiten.

Richtig. Jetzt, wo die akute Frostgefahr abnimmt, muss mit der Suche nach den Ursachen und Hintermännern des Winters begonnen werden. Wie sind seine Strukturen?

Was können Sie dazu sagen?

Wir wissen nicht viel, außer dass am Anfang ein Tiefdruckgebiet mit dem Decknamen „Egon“ stand. Doch hat Egon nicht allein gehandelt, hinter dem Tiefdruck stand ein System. Fest steht: Egon wurde von Isobaren gesteuert.

Egon hatte Komplizen?

Und Nachahmer! Es sollte ein Tiefdruckgebiet mit der Identität „Finjas“ von Süden nach Deutschland einreisen, das ist aber in den Alpen festgesetzt worden. Sein Pass war verschneit. Dafür konnten Komplizinnen namens Christa und Doris ungehindert einwandern, sie führten größere Mengen arktischer Kälte nach Deutschland ein, die prinzipiell auch zum Eisbombenbau genutzt werden kann.

Haben die Behörden die Gefahr, die vom Winter ausgeht, unterschätzt?

Das ist schwer zu sagen. Wir wissen: Egon stand mehrere Tage unter intensiver Beobachtung. Ausländische Wetterdienste hatten vor ihm gewarnt, trotzdem war ihm die Einreise über die Nordseeroute gelungen. Es hat wohl niemand mehr damit gerechnet, dass Deutschland ganz oben auf der Liste möglicher Angriffsziele des Winters steht.

Nun steigen die Temperaturen ja langsam wieder. Welche Lehren müssen die Behörden aus dem Frost der vergangenen Wochen ziehen?

Wir müssen uns wappnen. Im Winterverdachtsfall muss das Sicherheitskabinett zukünftig sofort einen gemeinsamen Krisenstab mit dem Katastrophenschutz einrichten. Bei höchster Winterwarnstufe muss die Bevölkerung aufgerufen werden, Schutzkleidung zu tragen, sogenannte „Mützen“. Behörden müssen Lehrgänge zum Umgang mit Schals und warmen Socken anbieten. Besorgte Bürger müssen über die Gefahren, die vom Winter ausgehen, aufgeklärt werden.

Keine Krise ohne Hamsterkäufe. Sind die sinnvoll?

Natürlich. Hamster sind weich, ihr Fell wärmt, sie sind Warmblüter und haben eine höhere Körpertemperatur als Menschen, in Frostnächten kann man daher gut mit ihnen kuscheln. Ich besitze selbst einen.

Es scheint ja sogar Bevölkerungsgruppen zu geben, die den Winter begrüßen. Wie ist ihre Einschätzung zum sogenannten Wintersport?

Unbestreitbar gibt es einen Trend zu Extremsportarten, den wir Terrorismusexperten inzwischen als „Sportismus“ bezeichnen. Bei manchen Menschen scheint Winter zu einer sportistischen Radikalisierung zu führen. Sie gründen Wintersportzellen oder reisen in die Schweiz, wo sie sich weiter radikalisieren.

Wie muss man sich so eine Wintersportzelle vorstellen?

Nun, die Mitglieder dieser Zellen üben gemeinsam Extremsportarten aus wie zum Beispiel Skilanglauf oder Curling.

Geht davon eine Gefahr für die Allgemeinheit aus?

Zweifelsohne. Im Berliner Mauerpark kommt es nach Schneefällen immer wieder zu hohen Opferzahlen, wenn sportistisch motivierte Rodler ihre Schlitten mitten in Menschenmengen hineinlenken.

Eine letzte Frage: Was tun Sie persönlich gegen die Kälte?

Ich gehe mit meinem Hamster kuscheln.

Herr Ortveßen, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.