Die Wahrheit: Pitbull nimmt Ehepaar als Geiseln

Warum sich mit dem Brexit beschäftigen, sagen sich die britischen Lokalmedien. Es gibt doch soviel Spannendes aus der Provinz zu berichten.

Die britischen Zeitungen berichten täglich über den Brexit. Wirklich erhellend sind die Artikel nicht, denn bisher ist ja nichts passiert. Die wichtigen Nachrichten findet man daher in der Lokalpresse. Gut, auch da geht es manchmal um den britischen Austritt aus der EU, aber aus ungewöhnlichem Blickwinkel: „Warum der Brexit Ihrem Hund nichts anhaben kann“, schreibt der Plymouth Herald und beruhigt Tierfreunde, die sich um das Aufenthaltsrecht ihrer deutschen Schäferhunde sorgen.

Der Express & Echo kann sich einen versteckten Seitenhieb auf die Brexit-Gegner nicht verkneifen: „Rentner fast erstickt beim Essen einer ausländischen Wurst“, heißt es auf der Titelseite. Abgesehen davon widmet sich das Blatt jedoch erfreulicherweise spannenderen Themen – zum Beispiel dem Problem eines jungen Mannes aus Exeter: „Möwen haben meinen Fernseher ausgeschaltet.“

Tiere nehmen breiten Raum in der Lokalberichterstattung ein: „Katze springt in einen Lieferwagen“, vermeldet die Evening News verblüfft. The Argus macht mit einem weniger harmlosen Vierbeiner auf: „Pitbull nimmt Ehepaar als Geiseln.“ Über die Lösegeldforderungen erfährt man aber nichts.

Offenbar kann man sich selbst in verschlafenen Landgemeinden nicht sicher fühlen. In Dyfed-Powys in Wales sind Diebe in das Clubhaus des Newton FC eingebrochen und haben zwei Tüten Kartoffelchips entwendet. In Carlisle wurde nachts ein Schraubenschlüssel aus einem Schuppen geklaut. Und in der Grafschaft Somerset fahndet die Polizei nach einer Frau, die in einem Supermarkt eine ganze Packung Scotch Eggs aufgegessen hat und davongelaufen ist.

Ein Einbrecher, der sich in einem Haus in Oakhill im Schrank versteckt hatte, wurde hingegen gefasst, weil er lauthals in Gelächter ausbrach, nachdem der Hausbesitzer seiner Frau einen Witz erzählt hatte. Was sich hinter der Schlagzeile des Wake­field Express verbirgt, möchte man nicht genau wissen: „Mann hatte eine goldene Kette im Hintern“, schreibt die Zeitung. Und die Keighley News empört sich auf Seite eins: „Wohltätigkeits-Boxkampf endet in Schlägerei.“

Eine Titelseite war dem Blatt auch die unglaubliche Geschichte der 43-jährigen Sharon Bromance wert: Sie fand eine Pudelmütze in einem Baum und hängte sie an einen Zaun. „Ich glaubte, meinen Augen nicht trauen zu können“, sagte die geschockte Finderin. Der Besitzer könne sich die Mütze binnen einer Woche holen. Danach werde sie dem Fundbüro übergeben. Ob es dieselbe Mütze war, die ein Passant für einen verletzten Papagei hielt und das der Feuerwehr meldete, ist nicht bekannt.

Ein gestohlener Papagei beschäftigte die Polizei in Birmingham. Die Beamten konnten den Fall schnell aufklären: Der Vogel lag tot auf dem Boden seines Käfigs. Unaufgeklärt bleibt bisher der Fall eines Armeefahrzeugs, das verschwand, nachdem es mit Tarnfarbe gestrichen worden war.

Wer wollte angesichts solcher Dramen noch etwas über den Brexit lesen?

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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