Die Wahrheit: Egal, egaler, Egalin®

Beim Thema Drogen drängt die Frage: Sind wir nicht längst alle von den Behörden zwangssediert?

ein Mann mit behaarter Brust trägt einen kleinen Hund in seinem offenem Hemd

Wecke niemals schlafende Hunde, die du herumträgst! Foto: reuters

Kürzlich ging die Meldung durch die Medien, Bettler setzten betäubte Hunde als Mitleidsverstärker ein. Da sei nichts dran, beruhigten die Behörden. Mit gutem Grund. Denn die Gefahr, dass das ganze Ausmaß des Skandals bekannt wird, ist zu groß.

Wir treffen uns konspirativ mit Dr. Heike Schneller, Sozio-Anästhesiologin aus Calma de Mallorca. Als wir das Dementi ansprechen, winkt sie nur müde lächelnd ab. „Die Hunde sind doch nur die Spitze des Eisbergs. Betäubungsmittel sind allgegenwärtig.“

Was wir im Folgenden erfahren, ist so unglaublich, dass wir uns erst einmal beruhigen müssen. Und auch die bedächtige Hessin Dr. Schneller ist schier außer sich: „Wenn isch ned so müd wär, könnt ich misch so was von uuuuffreesche!“

Besonders das Sedativum Egalin® wird seit Jahren heimlich auf breiter Front eingesetzt – etwa in Behörden, im Bundeskabinett und beim HSV. Da es naturnah aus der Nebennierenrinde verstorbener Schweizer gewonnen wird, ist es im Blut so gut wie gar nicht nachweisbar, weil sich die Zellen derart lahmarschig bewegen, dass die Wissenschaftler die Probe entnervt aufgeben.

Frau Schneller öffnet uns die Augen: „Am Anfang ging es nur um Tiere. Im Ruhegebiet, dem ‚Pot‘, war das Züchten von Betäubchen früher ja ein verbreitetes Hobby.“

Egalin® und Waldorfschule

Dann kamen auch Menschen an die Reihe. So entdeckten Eltern, dass sie größere Chancen auf einen Platz an einer Waldorfschule hatten, wenn sie ihr Kind vor dem Aufnahmegespräch mit Egalin® ruhigstellten, damit es keinen stressenden Wissensdurst an den Tag legte. Apropos Schule: Hier entstehen die meisten SBAs (Sedated by Accident – versehentlich chronisch Sedierte), in der Regel durch Ritalin-Missbrauch. Ihnen bleibt in der Regel nichts übrig, als die Beamtenlaufbahn einzuschlagen oder Ansagerin bei der Deutschen Bahn zu werden und verspätet die verspätete Bereitstellung eines verspäteten Zuges zu melden.

Aber wie konnte es so weit kommen? Stimmen die Gerüchte von den Chemtrails also doch? Wie so oft weist die Spur in die finsterste deutsche Vergangenheit: Als allerletzte Wunderwaffe hatten die Nazis tonnenweise Sedativa produziert, die sie mit der „Slow 2“ von Pennemünde aus über den feindlichen Linien verschießen wollten, um den Vormarsch der Alliierten einzuschläfern. Aber die Mittel wurden zu spät fertig und explodierten 1949 in einem Bergwerk in Thüringen.

Wie konnte es so weit kommen? Wie so oft weist die Spur in die finsterste deutsche Vergangenheit

Das kontaminierte Gebiet wurde daraufhin bis 1989 hermetisch abgeriegelt. Die früheren Bewohner dieser Zone loben bis heute die große Gemächlichkeit des Lebens dort. Angeregt durch das ostdeutsche Vorbild, engagierte sich in den sechziger Jahren übrigens der kubanische Arzt Dr. Anästho Che Guevara in Lateinamerika; sein Poster betäubte später eine ganze Generation auch im Westen.

Piano, piano

Doch Egalin® sollte nicht nur verteufelt werden, mahnt Frau Dr. Schneller. Wie viele andere Frauen nutzt auch sie gern einen sedierten Herrn vom Escort-Service „Piano piano“: um den Platz im Bus neben sich belästigungsfrei zu besetzen und vor allem als geduldigen Zuhörer. Ganze Berufsgruppen wie Mediatoren, Grundschullehrer und Therapeuten können ihren Beruf überhaupt nur dank Sedativa durchhalten.

Aber es droht auch politischer Missbrauch: In der Türkei gibt es betäubte Wähler in der Apotheke, aber nur auf Recep. Und dass alle Besucher von Starbucks und Subway gleich am Eingang per Gebläse sediert würden, um das fünfzehnminütige Abfrage-Martyrium durchzustehen, sollte wohl auch nicht unbedingt an die Öffentlichkeit gelangen, meint Dr. Schneller spitz.

Wirklich erstaunt ist unsere Expertin über die Naivität, mit der alle Welt vor 100 Jahren auf die Erfindung der angeblichen „Zeitlupe“ hereingefallen ist. Die sei doch technisch überhaupt nicht möglich. Filmindustrie und Sportsender verfluchen deshalb bis heute den Tag, an dem dieser Marketing-Gag erstmals vorgeführt wurde.

Denn das Nachdrehen strittiger Szenen in verlangsamter Geschwindigkeit bedeutet einen enormen Aufwand. Man braucht speziell sedierte Schauspieler wie Dieter Pfaff (sein angeblicher Tod ist übrigens nur eine optische Täuschung) und Fußballer wie Tranquillo Barnetta. Man braucht punktgenau betäubte Synchronsprecher und Tiere. Und die DDR-Autoindustrie existierte überhaupt nur, um Hollywood gegen harte Valuta mit sedierten „Zeitlupen“-Fahrzeugen zu versorgen.

Wir konfrontieren die Politik mit den ungeheuerlichen Erkenntnissen von Heike Schneller. Aber Bundesbeschwichtigungsminister Peter Altmaier winkt nur träge ab. Immerhin räumt er ein, dass es einen ­Untersuchungsausschuss zum Thema Egalin® geben soll – der aber seit 26 Jahren vergeblich versuche, sich zu konstituieren. Dafür müssten nun mal alle Mitglieder anwesend und wach sein. Am Ende zeigt er grinsend auf unsere Teetassen und meint jovial: „Immer mit der Ruhe!“ Finden wir gut, den Typen.

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