Die Wahrheit: Das Ende des Klopfzeichens

Zum ersten Mal in der Geschichte Irlands werden die Pubs des Landes nächsten Freitag geöffnet sein. Damit geht eine Nationalsportart verloren.

Das Karfreitagsklopfzeichen gibt es nicht mehr. Die Pubs werden in Irland nächsten Freitag zum ersten Mal in der Geschichte des Landes geöffnet sein. Damit geht eine Nationalsportart verloren, bei der die Iren unschlagbar waren. Bisher hatten sie es nämlich stets geschafft, am Karfreitag trotz versiegter Zapfhähne an Alkohol zu gelangen. Dazu mussten sie sich monatelang durch regelmäßige Gelage das Vertrauen des Gastwirts verdienen, sodass er ihnen das geheime Klopfzeichen für die Hintertür verriet.

Um bei einer Polizeikontrolle nicht verhaftet zu werden, nahm man am besten Pinsel und Farbe mit. Kam ein Ordnungshüter vorbei, konnte man glaubhaft versichern, dass der Wirt einen angeheuert hatte, um am Feiertag die Wände zu streichen. Oft hatte der Polizist allerdings dasselbe Anliegen wie der illegale Trinker. Wer keinem Wirt das Klopfzeichen entlocken konnte, war auf semi-legale Tricks angewiesen. Reisenden durfte zum Beispiel kein Getränk verwehrt werden. So kauften sich Durstige eine Fahrkarte nach Irgendwo, die sie in der Bahnhofsgaststätte vorzeigten – das Ticket ins Delirium. Die Kneipen in irischen Bahnhöfen waren am Karfreitag stets gut gefüllt.

Eine andere Möglichkeit, am Karfreitag legal an ein alkoholhaltiges Getränk zu kommen, war eine warme Mahlzeit im Restaurant. Dazu durfte man nämlich ein Fläschchen Wein bestellen. Auch auf der Hunderennbahn wurde am Karfreitag Alkohol ausgeschenkt. An keinem anderen Tag im Jahr waren die Stadien mit so vielen Menschen gefüllt, die sich so wenig für die Köter interessierten. Wenn alle Stricke rissen, konnte man sich wenigstens zu Hause zuballern. Am Gründonnerstag, oder dem „heiligen Donnerstag“, wie er in Irland heißt, waren die lizensierten Schnapsläden stets überfüllt, weil sich die Bevölkerung für den Karfreitag wappnen musste.

Aus und vorbei. Im Januar hat die Regierung beschlossen, dass Alkohol am Karfreitag wie an jedem anderen Tag ausgeschenkt werden darf. David Stanton, der Staatssekretär im Justizministerium, sagte, die Einschränkung aus Religionsgründen sei „nicht mehr zeitgemäß, weil sich das ökonomische und soziale Leben in den vergangenen zwei Jahrzehnten dramatisch verändert“ habe.

Darüber hinaus schade es dem Tourismus. Einmal wollte eine Gruppe Engländer über Ostern eine „Stag Party“ in Dublin feiern. Das ist der Junggesellenabschied, und dabei geht es einzig und allein darum, sich so zügig wie möglich zu betrinken. Das Entsetzen war groß, als die Suffköppe vor geschlossenen Türen standen. Ob die Hochzeit deshalb ins Wasser gefallen ist, weiß man nicht.

Mit der Gesetzesänderung ist die sportliche Jagd auf den illegalen Schnaps am Karfreitag vorbei. Irische Kneipen bleiben fortan nur noch Weihnachten geschlossen. An dem Tag sitzen die Gastwirte aber mit der Familie am Tisch und essen einen Truthahn. Keiner von ihnen wird auf ein geheimes Klopfzeichen aufmachen und Whiskey servieren.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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