Die Wahrheit: Mia san Tier

Der FC Bayern München zeigt sich menschlich und präsentiert einen neuen TV-Sender fürs hauseigene Viehzeug.

Thomas Müller vom FC Bayern München jubelt. Neben ihm jubelt auch: Das Bären-Maskottchen Berni

Muss Maskottchen Berni (rechts) einem hautkranken Hammerhai weichen? Foto: dpa

Der Fußball-Konzern FC Bayern will menschlicher werden. Das geht bekanntlich am besten mit Tieren. Für die hauseigenen Social-Media-Kanäle hat der Rekordmeister jetzt eine bemerkenswerte Doku-Reihe produziert. Titel: „Mia san Tier.“

Die Vereinsbosse gehen mit gutem Beispiel voran. In der ersten Folge spricht Clan-Chef Karl-Heinz Rummenigge einfühlsam über sein sexsüchtiges Zwergkaninchen Lothar. „Kein Sofakissen war vor ihm sicher“, schmunzelt der lebenserfahrene Bayern-Grande. Lothars Ende sei allerdings tragisch gewesen. Einmal sei er, Rummenigge, total verkatert von einer Bunga-Bunga-Party seines Spezies Silvio Berlusconi nach Hause gekommen und dabei sei ihm im Badezimmer das Viagra-Pillendöschen aus der Hand gefallen. Lothar habe sich sofort über die blauen Pillen hergemacht. Die anschließende Sexorgie mit dem Toilettenvorleger habe das liebenswerte Schlappohr dann nicht überlebt. Diagnose: Herzinfarkt.

Putziges Zähnefletschen

Auch Ehren-Patriarch Uli Hoeneß steuert eine launige Schnurre aus der Frühphase seiner Managertätigkeit beim FC Bayern bei. Damals suchte er einen Ersatz für seinen trotteligen Bruder Dieter auf der Mittelstürmer-Position. Ein windiger Spielerberater habe ihm dann einen argentinischen Vollblut-Stürmer namens Enrico Dobermann aufgeschwatzt. „Den habe ich blind gekauft“, gibt Hoeneß freimütig zu. Die vermeintliche Top-Verpflichtung entpuppte sich dann aber tatsächlich als reinrassiger Dobermann, sehr stattlich mit seinen 45 Kilo und auch durchaus bissig, fürs Toreschießen aber leider völlig ungeeignet.

Damit die skandalgeile Münchner Presse keinen Wind von seinem sündteuren Fehleinkauf bekäme, habe er ihn einfach als sein neues Haustier ausgegeben. Und bei Vertragsverhandlungen mit neuen Spielern sei Enrico, der „so putzig die Zähne fletschen konnte“, auch immer sehr nützlich gewesen.

Aber auch diese ungewöhnliche Freundschaft zwischen Profi und Tier fand ein entsetzliches Ende. Auf der Jagd nach eine Ratte in seiner Nürnberger Wurstfabrik fiel „der treue Enrico“ mitten in der Hauptproduktionszeit für den Christkindl-Markt in einen rotierenden Fleischwolf. „Ein unersetzlicher Verlust“, haucht Hoeneß mit ersterbender Stimme in die Kamera, „aber wir konnten die Maschinen natürlich nicht abstellen. Das Geschäft, die Wurst, die Menschen, sie verstehen!“

Hinter der Maske

Es sind diese zu Herzen gehenden Geschichten, die zeigen, dass sich hinter der Maske der eiskalten Münchner Profitmaximierer mit ihren gnadenlosen Zwängen durchaus warmherzige Menschen verbergen. Wie Hasan Salihamidžić. Der Sportdirektor füttert seinen kariesgeplagten Pitbull Slobodan geduldig mit Babybrei.

Menschen wie Oliver Kahn mit seinem dementen Papagei Jens. Eines Tages war der 120-jährige Ara aus dem Küchenfenster entwichen, erzählt Kahn in gebrochenem Flüsterton. Jens verirrte sich, und die Freiwillige Feuerwehr musste ihn von der Spitze des Maibaums auf dem Marktplatz von Tutzing holen. Als die Rettungskräfte ihn wieder am Chalet des Titanen ablieferten, konnte sich Jens nicht mehr an ihn, Oliver Kahn, erinnern. Auch das vertraute und viel gekrächzte „Der Druck, der Druck, immer dieser Druck“ kam ihm nicht mehr aus seinem Schnabel. Die Sensation: Zum ersten Mal sieht man Oliver Kahn vor der Kamera weinen.

Hamster mit Knochenkrebs

Es sind Bilder wie diese, die sich tief einbrennen und keinen Fußball-Fan kalt lassen. Der FC Bayern hat mit diesem mutigen Format bereits jetzt Maßstäbe gesetzt. Denn der Branchenprimus zeigt der Konkurrenz, dass schlimmste private Schicksale ein Unique Selling Point im Fußball-Business sein können.

Schon jetzt warten die Zielgruppen in den Zukunftsmärkten ungeduldig auf weitere Folgen. Themen gibt es genug. Die Geschichte von Mehmet Scholls qualvoll leidender, weil beinamputierter Vogelspinne Renate wird gerade gedreht. Robert Lewandowskis an Knochenkrebs erkrankter Hamster Pjotr liegt auf der Intensivstation, Hansi Flicks Hängebauchschwein Lolita wartet auf eine Spenderniere. Und das Hammerhaibaby Kevin in Joshua Kimmichs Swimmingpool hat Schuppenflechte.

Die Botschaft ist eindeutig. Es gibt keine Entfremdung zwischen den überbezahlten Fußball-Superstars und dem einfachen Fan – das echte Leben neben dem Ball ist hart, Fußball ist und bleibt die tierisch schönste Nebensache der Welt.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.