Die Wahrheit: Hände hoch! Massage!
Wer sich lieb hat, greift zur Massagepistole: mit ihr hat die gewaltvolle Gesellschaft ihren Stellvertreter in der sanften Massagesphäre gefunden.
M assagepistolen. Auch schon wieder von gestern. So ist es immer: Gleich nachdem die Menschen zum ersten Mal eine Massagepistole sehen, sagen sie: „Ach, eine Massagepistole, die kennt ja wirklich jeder!“
So sind sie, die Menschen, die mit der Zeit gehen. Es gilt ihnen als peinlich, nicht zu wissen, was das ist, eine Massagepistole. Ich erkläre es hier: Sie ist ein großer Griff, an dem ein Aufsatz steckt, der vibriert und wackelt und sich dreht. Man drückt den Aufsatz in die Muskeln und lässt ihn im eigenen Fleisch rühren.
Nur damit Sie mich richtig verstehen: Es geht um einen Aufsatz zum Aufsetzen, eine Art Nubsi. Eine Maschine, mit der man damals seinen Deutschaufsatz ins eigene Fleisch hätte pressen können, wäre aber auch heute noch eine Erfindung wert.
Mit der Massagepistole hat die gewaltvolle Gesellschaft ihren Stellvertreter in der sanften Massagesphäre gefunden. Vorbei die Zeit, in der im gegenseitigen Massieren die seltene Gelegenheit lag, sich körperlich näher zu kommen, näher als im Basic Tarif bei Ryanair.
Heute massiert jeder für sich. Wer sich lieb hat, greift zur Massagepistole, dem Massagesessel to go. Es ist auch niemandem benommen, sich damit in aller Öffentlichkeit zu verwöhnen, zum Beispiel im Linienbus. Nächste Haltestelle: Oberschenkelmuskel. Darf man Massagepistolen in die Waffenverbotszone mitnehmen? Ja. Braucht es einen Waffenschein? Nein. Wie Sie sehen, ist alles geregelt.
Es folgt nun eine Idee für einen Wildwestfilm: Zwei Rivalen mit Schlapphüten, „die Stadt ist zu klein für uns beide“ und so immer weiter. Um zwölf Uhr mittags schreiten die beiden aufeinander zu, die Massagepistolen gezückt. „Hände hoch oder ich massiere dich im Bereich des unteren Rückens“, droht der eine grollend. Die Szene endet im Gemetzel: Oberschenkel, Nacken, Fußsohle, überall wird die Durchblutung gefördert.
Wellness-Szenen im Wüstensand
Der ganze Film zeigt nichts anderes als schwingende Saloon-Türen und Wellness-Szenen im Wüstensand. Immer wieder massieren sich die Gesetzlosen, stöhnen, entspannen. In einer besonders eindrücklichen Szene hält ein Bandenmitglied die Pistole in den Rücken seines Feindes. Man hört noch den Schalter klicken, und dann stöhnt der Mann und sagt, er hätte Ischiasschmerzen. Mit FSK 18 ist zu rechnen.
Zurück in die vermeintliche Realität. In einem befreundeten Haushalt fand ich einmal eine Massagepistole mit dem Logo des Fußballvereins Paris Saint-Germain. Ich ließ mich damit massieren. Mehr passierte nicht. Es ist daher Platz für eine weitere Idee an dieser Stelle – ein Sketch.
Massagepistolen sind optisch Mikrofonen ähnlich. Eine Reporterin geht also in eine Fußgängerzone, hält Passanten das vermeintliche Mikro unter die Nase, fragt: „Was sagen Sie zum neuen CSU-Landwirtschaftsminister Alois Rainer?“ Sobald jemand antwortet, drückt die Reporterin auf den Massageknopf und lacht herzlich. Alois Rainer, also wirklich!
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