piwik no script img

Die WahrheitEiernder Sackhüpfer

Die Philippinen-Woche der Wahrheit: Jetzt auf dem Archipel entdeckt – der letzte Flugsaurier. Ohne Flügel, aber mit einer seltsam birnenhaften Form.

Typisch Flugsaurier: Kann nicht fliegen, weil zu birnig Foto: reuters

D iese Woche widmet sich die Wahrheit fast und gänzlich den Philippinen. Denn jener turbulente Archipel ist dieses Jahr Ehrengast der am Mittwoch beginnenden Frankfurter Buchmesse.

Peter Weidmann hat auf seinen Reisen schon viele Spezies gesehen, die zuvor noch niemand zu Gesicht bekam. Bärtige Nacktmulle. Schwanzlurche mit Überbiss. Pfeilschnelle Faultiere. Aber was der 55-jährige Biologe vom Frankfurter Senckenberg Forschungsinstitut kürzlich auf den Philippinen erblickte, das raubte selbst ihm, dem erfahrenen Artenentdecker, den Atem: Auf einer der insgesamt 7.000 Inseln im Westpazifik lebt, als wäre seit der Kreidezeit kein Tag vergangen, ein Flugsaurier. Der allerdings nicht fliegen kann.

„Es war wie bei,Jurassic Park'“, erzählt Weidmann mit leuchtenden Augen, „bloß in Miniaturformat.“ Als er und sein philippinischer Wissenschaftskollege Gabriel Santos die gerade mal 18 Quadratmeter umfassende Insel Mapayápa betreten – eigentlich auf der Suche nach einer bislang unbekannten, stark behaarten Froschart, die dort gesichtet worden sein soll –, kommt etwas auf sie zu gehüpft und krächzt freundlich. Weidmann und Santos wissen sofort: Dies ist ein Wesen, das die Welt noch nicht gesehen hat. „Es ist so groß wie eine Wachtel, etwa 20 Zentimeter, wiegt aber rund vier Kilo.“ Der birnenförmige, reptilienartige Körper wird von zwei echsenähnlichen Füßen getragen, auf dem zu kleinen Kopf thront ein Büschel gekräuselter Federn, der kurze, schaufelförmige Schnabel ist zahnlos.

Das Auffälligste aber: die Flügel. „Sie haben sich offenbar im Laufe der Jahrmillionen zurückgebildet, bis sie so kurz waren wie die Ärmchen des Tyrannosaurus Rex“, erläutert Santos. Er vermutet, dass der Flugsaurier ursprünglich „in kurzen Stößen fliegen konnte, ähnlich wie ein Huhn“, aber seit jeher die meiste Zeit seines Lebens am Boden verbrachte – und das idyllische Eiland Mapayápa auch nie verließ: „Er schafft es gar nicht von dort weg. Zum einen, weil er auch nicht schwimmen kann. Zum anderen, weil er abnehmen müsste. Doch selbst dann bräuchte er eine Art Startbahn, um genügend Anlauf zu nehmen. Dafür ist die Insel aber viel zu klein.“

Die Philippinen seien berühmt für ihren außergewöhnlichen Artenreichtum, sagt Weidmann, „ein Hotspot der Biodiversität“. Auf jeder Insel könne man „eine Art Erdentwicklungsgeschichte im Zeitraffer beobachten“, da sie nie mit Kontinentallandmassen verbunden gewesen seien. So entwickelten sich unzählige endemische – also nur dort vorkommende – Arten, „evolutionär isoliert und mit eigenen Merkmalen an die spezifischen Umstände ihres Lebensraums angepasst“.

Santos erklärt mit erkennbarem Stolz: „Unsere Entdeckung belegt erstmals die Präsenz von Flugsauriern in Südostasien und zeigt, dass die Geschichte unseres faszinierenden Landes weit über das menschliche Zeitalter hinausreicht.“ Er beschreibt mit einer Hand einen weiten Bogen, den Blick in die Ferne gerichtet, und zitiert ein Sprichwort aus seiner Heimat. „Die Fantasie beseelt die Luft.“ Dann stutzt er kurz. „Oder war es umgekehrt?“

Weidmann hat schon einen Namen für „das Kind“: Mapayapadactylus helmutkohli, „nach dem deutschen Altkanzler, wegen der Birnenform“, sagt er lachend. Wenngleich der Saurier flugunfähig sei, könne er „erstaunlich gut hopsen, bis zu zwei Meter weit, das erinnert an Sackhüpfen beim Kindergeburtstag.“ Tauche sein einziger Fressfeind auf – das philippinische Nasenhaar-Krokodil –, verschwinde er blitzschnell in einer der tunnelförmigen Bruthöhlen. „Er hat dann nur seine liebe Müh’, mit dem Bürzel voran da wieder rauszukommen“, schmunzelt Weidmann. Der Saurier selbst sei Vegetarier und ernähre sich ausschließlich von vergorenen Mangos, was wohl auch mit der alkoholisierenden Wirkung zu tun habe.

Wie er sich fortpflanzt, muss jedoch noch erforscht werden. „Wir wissen, dass die Männchen bei der Balz kunstvolle Sandburgen auftürmen, die die Weibchen begutachten und bei Nichtgefallen niedertrampeln“, sagt Santos. Die eigentliche Paarung habe man aber noch nicht beobachtet. „Die sind da eher prüde, wenn jemand zuguckt.“ Das Gelege bestehe aus 15 bis 20 ovalen, karmesinroten Eiern. Aufgrund ihres hohen Körpergewichts komme es vor, dass die Weibchen beim Brüten einige Eier „regelrecht plattmachen“. Die Arterhaltung sei dadurch aber offenbar nicht gefährdet.

Weitaus folgenschwerer ist der steigende Meeresspiegel aufgrund der Erderwärmung. Mapayápa drohe binnen weniger Monate vollends zu versinken. Da nicht davon auszugehen sei, dass der Saurier in dieser Zeit das Fliegen oder Schwimmen erlerne, habe Weidmann in seiner deutschen Heimat eine neue Bleibe für ihn organisiert – im Saurierpark Kleinwelka. Dort, im sächsischen Bautzen, finde man „vorsintflutliche Verhältnisse“ vor, die ihm die Eingewöhnung erleichterten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Gibt es auch ein Datum der Entdeckung?



    Auf 18 qm Insel soll ein Mangobaum stehen und eine ganze Population von diesen Vögeln lebensfähig sein?



    Oder ist das jetzt hier auch alles Fake?