Die Wahrheit: Verbitterte Vermieter

Neuer Trend beunruhigt Deutschlands Hausbesitzer

Karsten Stieber ist ein vertrauenswürdiger Mann, dem wichtig ist, dass niemand etwas Böses über ihn sagt. Immer schon hat er sich für andere eingesetzt, immer war es sein Wunsch, dass die Menschen sich gegenseitig Gutes tun. Umso erschütterter hat ihn das zurückgelassen, was in seinem eigenen Haus passiert ist. "Das war ein Schock. Ich kann das gar nicht in Worte fassen." Der 52-Jährige ringt sichtbar um Fassung. "Als ich zum ersten Mal in die Wohnung gekommen bin? Ich war wie gelähmt." Seine Frau findet den sonst so lebenslustigen Vermieter erst nach Stunden der Suche. Auch für sie ist der Moment noch ganz nah, ganz frisch: "Ich hab den Karsten gesucht, und dann bin ich in die Wohnung von den Bauers, und dann hab ich ihn da gesehen. Es war schrecklich."

"Die Bauers" - wahrscheinlich ist das nicht der richtige Name der Familie, jedenfalls sind sie Anfang Mai in das Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses gezogen. Seit einigen Wochen sind die Bauers aber nicht mehr zu erreichen. Die Stiebers werden misstrauisch. "Nie", so der vollkommen verzweifelte Vermieter, "nie ist uns so was passiert. Wir hatten schon so viele Mieter in unserem Haus. Das war immer nett und hat Spaß gemacht. Aber das, was die Bauers da hinterlassen haben, das kann ich nicht verstehen. Können Sie das verstehen?" Langsam geht er durch die Wohnung, die vor wenigen Monaten noch ganz anders aussah. "Das wird teuer! Wie sollen wir denn das bezahlen? Da hilft doch einfach nur: Fenster auf und raus mit dem ganzen Mist!"

Die Stiebers sind Opfer eines neuen Trends unter Mietnomaden geworden. Unscheinbare Familien mieten sich in Wohnungen ein, in denen sie dann nach ihren Vorstellungen leben. War es früher der Albtraum eines jeden Vermieters, Wohnungen an sogenannte Messies zu verlieren, zeigen sich die neuen Mietnomaden perfider. An der Wohnung der Stiebers können exemplarisch alle Eigenschaften des neuen Trends aufgezählt werden. Und Karsten Stieber ist ein guter Aufzähler: "Die haben alle Räume renoviert. Alle. Ohne dass wir das mitbekommen haben. Die haben hier diesen tollen Boden verlegt. Und die Wände mit teurer Farbe gestrichen. Was geht nur in solchen Köpfen vor?"

Tatsächlich ist die Wohnung von den sogenannten Renos, wie man sie inzwischen nennt, fachmännisch renoviert worden. Warme Farben, indirektes Licht und ein toller Fußboden laden zum entspannten Wohlfühlen ein. Doch damit nicht genug.

"Die haben ihre ganzen Möbel hiergelassen. Ledergarnitur im Wohnzimmer und im Kinderzimmer ein Bett im Märchenschlosslook. Alles neu! Wie sollen wir denn das neuen Mietern unterjubeln?" Karsten Stieber wird zum ersten Mal ungehalten. Mit dieser Unverschämtheit kann er nicht umgehen. "Die kommen hier rein, spielen den netten Mieter, aber hinterrücks machen die einem den Lebenstraum kaputt." Er führt uns durch die anderen Zimmer, die allesamt mit trendigen Accessoires ausgestattet sind: Einbauküche, Kieselboden im Bad, das Elternschlafzimmer ein Traum in Terrakotta. Für die Stiebers ein Albtraum. Ungelenk arbeitet sich Karsten Stieber durch die Wohnung. Man merkt ihm an, dass er sich hier nicht mehr zu Hause fühlt: "Das wird lange dauern, bis ich diese Wohnung wieder mögen kann."

Doch es kommt noch aufwühlender für ihn. Neben der renovierten und neu eingerichteten Wohnung haben es sich die "Bauers" nicht nehmen lassen, die Miete fürs nächste Jahr im Voraus zu bezahlen. Karsten Stieber wird es zu viel: "Ich meine, wie soll man sich denn davor schützen? Damit rechnet doch niemand. Da vermietet man seine Wohnung, und diese, diese … ,Renos', machen, was sie wollen. Da muss doch die Politik etwas tun! Wann greift der Gesetzgeber endlich ein …?"

Der gebrochene Vermieter spricht nicht weiter. Doch der Trend hält an. Schon gibt es erste Nachrichten von Vermietern, die ganze Einfamilienhäuser in diesem Zustand auffinden. Bleibt zu hoffen, dass der Vermieterschutz mit dem Trend mithalten kann.

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kari

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