Die Wahrheit: Biere pflastern ihren Weg

Durststrecke: Eine Brauereiwanderung durch die Fränkische Schweiz.

Auch ohne Bierkonsum beschwerlich: das Wandern. Bild: dapd

Am Rande einer Bierwanderung durchs Fränkische konnten die Teilnehmer der lokalen Presse entnehmen, dass im Gemeinderat des Sprengels Aufseß in der Fränkischen Schweiz jüngst ein gravierendes Problem disputiert wurde: Der „Aufsesser Brauereienwanderweg“ zwischen Heckenhof, Sachsendorf, Breitenlesau und Unteraufseß sei, so wurde berichtet, infolge Verschmutzung und regelrechter Vermüllung in einem beklagenswerten Zustand.

Die zunächst skeptischen Abgesandten der in solchen Belangen stets rührigen Holger-Sudau-Stiftung (HSS) machten sich vor Ort ein Bild von der Lage, die die schlimmsten Befürchtungen übertraf: Im Umkreis des Braugasthofs Kathi-Bräu in Heckenhof, wo das mindestens drittbeste Bier der Welt gebraut wird, sind in der Tat die Wander-, Wald- und Fahrwege gesäumt nicht nur mit den Rückständen unergründlicher Ausschweifungen, sondern auch und vor allem mit Leichen, wodurch nun auch endlich der Grund gefunden ist, weshalb an den weiteren Stationen des „Brauereienwegs“ nie jemand anlangt: Im Braugasthof Stadter in Sachsendorf, wo das mindestens drittbeste Bier der Welt gebraut wird, schließen die legendär sagenhaft unfreundlichen Betreiber tagtäglich Wetten auf das Eintreffen eines dritten Gastes ab.

Und im liebevollst in Handarbeit restaurierten 101-jährigen Wirtshaus Pflaum in Zochenreuth, wo man das mindestens drittbeste Bier der Welt zwar nicht braut, aber immerhin ausschenkt (vom Held-Bräu in Oberailsfeld) und die 84-jährige Altwirtin dazu mancherlei fröhlichen Schwank zu erzählen weiß, glüht in der Küche nur der Nordmende-Fernsehkasten (Baujahr 1965) und lohnt es sich nicht, das Licht im Klo einzuschalten.

Die Abgeordneten des Gemeinderats beschlossen in vollem Bewusstsein des Ernstes der Lage, „das Problem in Gesprächen zu vertiefen“. Einstweilen konnten die Mitglieder der Holger-Sudau-Stiftung im Zuge einer Feldforschung anhand einiger exemplarischer Fälle ergründen, wie es zu den bedauerlichen Ausfällen kommt, woraus sich auch nützliche Verhaltensanregungen für potenzielle Brauereiwanderer ziehen lassen.

Belegt ist etwa der Fall des Lüdenscheider Rechtsanwalts M., der sich nach Genuss einiger Seidel dunklen Lagerbiers vom Kathi-Bräu unterwegs nach Zochenreuth in einem Waldstück zu erleichtern trachtete, dabei in einem alten Bombentrichter so unglücklich strauchelte und hinstürzte, dass sich ein ansonsten harmloser verrosteter Splitter in seinen rechten Mittelfinger bohrte und eine letztlich tödliche Blutvergiftung einleitete. Die durch sein Wimmern herbeigerufenen weiteren Angehörigen seiner Reisegruppe wiederum gerieten ins Brombeergestrüpp, worin sie sich mittels verzweifelter Verrenkungen so sehr verfingen und verwickelten, dass ihre sterblichen Überreste erst nach Wochen verhungert aufgefunden und nur unter Einsatz schweren Geräts dem Griff des Waldes entzogen werden konnten.

Durchaus typisch ist das Schicksal der Motorradsportgruppe „Donnervögel Kelsterbach“, ist doch der Kathi-Bräu ein traditioneller „Treff“ für Zweiradfreunde, die dort indes dem von der Brauereigründerin Katharina Meyer einstmals geprägten Wahlspruch „Bleibe stets dem Wahlspruch treu: Trink ein Seidel Kathi-Bräu“ untreu werden und aus Gründen der Straßenverkehrsordnung mittlere bis große Mengen der koffeinhaltigen Zuckerzubereitung „Spezi“ konsumieren. Der hitzebedingt außerordentliche Spezi-Konsum der in luftdichte Ganzkörperlederanzüge verpackten „Donnervögel“ führte dazu, dass sie in eine abnorme Aufbruchsstimmung gerieten und sich in dem dadurch entstandenen grausigen Durcheinander auf dem Parkplatz gegenseitig überfuhren.

Selbst Einheimische sind den Verlockungen und Gefahren des braunen Lagerbiers nicht abhold. Der Holzbauer Matthias E. aus Hochstahl etwa unterbrach mit dem Vorsatz, eine „kleine Pause“ einzulegen, seine Häckselarbeit am Galgenberg, begab sich zum Kathi-Bräu und geriet dort beim Anblick müßig trinkender und das Leben genießender Menschen in eine solche Sinnkrise, dass er nach Verzehr mehrerer Seidel zunächst seine sieben Kinder, dann seine Frau und endlich sich selbst im Häcksler schredderte, diesen infolgedessen nicht mehr abschalten konnte, weshalb das Gerät zwei Wochen weiterlief und dergestalt nicht unwesentlich zur Verschlechterung der Aufseßer CO2-Bilanz beitrug.

Unterschätzt wird zudem regelmäßig die Wirkung des Heckenhofer Sauerkrauts, das die dazu gereichten Bratwürste und bei übermäßiger Zufuhr auch gleich die inneren Organe des unglückseligen Essers in eine schaumige Masse verwandelt, weshalb sich ein Großteil der unerfahrenen Brauereiwanderer noch vor Erreichen des nächsten Ziels buchstäblich totscheißt.

Abschließend sei auf oft belächelte traditionelle Grundregeln hingewiesen, so etwa das auch in anderen süddeutschen Gauen immer noch gültige Verbot einer Nachahmung des Lokaldialekts. Schon das Bestellen von „ein Stückchen Weggla“ oder „zwei Glas Lacherpils“ kann dazu führen, dass dem unbedarften Scherzbold ohne langes Fackeln das Kreuz abgeschlagen wird, worunter keinesfalls eine religiöse Handlung zu verstehen ist. So bezahlte ein Allgäuer mittleren Alters einen hohen Preis für seinen Übermut: Nachdem er die Rentnerin Elfriede K. aus Kotzendorf nach kurzer Bewunderung ihres Eigenheims gefragt hatte, ob es sich bei ihr etwa um die „Fachwergglahäuslabauerstochter oder -gattin“ handle, wurde er vom zufällig vorbeikommenden Vizeschriftführer des örtlichen Burschenvereins standrechtlich erschossen, ohne sich zuvor noch zu seinen Personalien äußern zu können, die daher nicht bekannt sind.

Geklärt werden konnte im Rahmen der Holger-Sudau-Bierwanderung endlich auch das Schicksal der rheinländischen Trunk-und-Sangesbruderschaft „Die Bäuchlinge since 2001“ – diese hatten sich am Pfingstwochenende 2005 das Heckenhofer Braunbier in ihrer Begeisterung über dessen unerhörte Qualität in solchem Tempo einverleibt, dass es ihnen durch die plötzliche Gewichtszunahme und die nicht zu unterschätzende Klebewirkung versehentlich verschütteter Bierreste auf den Bänken nicht mehr möglich war, sich zu erheben. Seither sitzen sie beim Kathi-Bräu, leiten jede neue Runde mit ihrem mittlerweile leicht sehnsüchtig angehauchten Trinkgesang „Überall auf der Welt scheint die Sonne“ ein und lassen sich gelegentlich zu der vielbelachten Ankündigung hinreißen, nach dem nächsten Bier werde man „dann aber wirklich gehen“.

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