Die Wahrheit: Das Schwein des Anstoßes

Die Deutschland-Tournee von Old-School-MC Josef Ratzinger habe ich ja gerade noch ohne Hirnsturz überlebt, aber es gibt auch Grenzen des Katholenkokolores...

... Paradoxerweise muss man, um diese aufzuzeigen, manchmal sogar die Kirche verteidigen. Aber nur ganz kurz und punktuell.

Passiert ist Folgendes: Da wagt es der katholische Bischof von Hildesheim doch tatsächlich, sich bei den an der Sanierung des dortigen Domes beteiligten Handwerkern mit einem kleinen Zwischenfest auf der Baustelle, also im noch mörteligen Dom, für die bisher geleistete Arbeit zu bedanken und dazu Spanferkel und Kölsch zu reichen. Eigentlich eine überraschend nette und volksnahe Geste des in Zivil anwesenden Gottesmannes an die werktätige Bevölkerung. Dass daraus ein - wie es Neudeutsch heißt - "Shitstorm" für Bischof Norbert Trelle wurde, gehört zu den faszinierenden Mysterien der Kirche.

Nachdem die Lokalpresse ohne Arg darüber berichtet hatte - mit einem Foto eines sich pittoresken, im Dom drehenden Spanferkels -, ließen die katholischen Fundamentalisten die Tastaturen rauchen und schrieben empörte Leserbriefe, die einem das Kölsch in den Adern gefrieren lassen. Neben Petitessen wie "Rohheit", "Blasphemie" und "weltlichen Gelagen im Gotteshaus" faszinieren vor allem die apokalyptisch-irren Bilder, die da gemalt werden: "Die rot gebratene Haut, die abgehackten Beine, die gespitzten Ohren, die leeren Augenhöhlen und das aufgerissene Maul erwecken den Eindruck einer angstvoll quiekenden Sau." Schön auch: "Biblische Bilder der Endzeit drängen sich auf: Ein Rotierschwein im Dom, und strömendes Kölsch: ein ,Greuel der Verwüstung an Heiliger Stätte' (Markus 13,14; Matthäus 24,15), ein ,Greuel vor Gott' (Lukas 16,15), und zwar ,bis zum beschlossenen Ende, das über den Verwüster sich ergießt' (Daniel 9,27)." Bei solchen Briefen fragt man sich, wozu man eigentlich noch Islamisten als Feinbild braucht. Religiösen Fanatismus können wir hier doch ganz gut alleine. Wobei es mir inhaltlich und theologisch wirklich nicht in den Kopf will, dass ausgerechnet Katholiken ob dieser Feierszenerie in eine Art negative Ekstase fallen.

Liebe Katholen: Dafür seid ihr doch da! Das ist doch die schöne Seite an eurem ansonsten eher düsteren Glaubensgebäude. Und normalerweise seid ihr doch auch stolz darauf: auf das Barocke, das Lebenslustige, das Enthemmte, die ganze, große Show. Dafür habt ihr doch auch die Beichte erfunden: Es erst ordentlich krachen lassen - und dann "sorry" sagen. Und schwupps, ist alles vergeben. Das ist moralisch zwar fragwürdig, aber psychohygienisch eine wunderbare Sache. Nicht umsonst habt ihr eure Hochburgen in Bayern, Italien und Irland - in Regionen, wo gnadenlos gepichelt und gefeiert wird. Ach ja - und in Köln, wo Herr Trelle ja vorher tätig war und wo auch das zum Schwein gereichte Bier herkam.

Um es klar zu sagen: Wenn man als Katholik nicht einmal mehr ordentlich feiern darf, dann kann man ja gleich evangelisch werden.

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kari

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