Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die Grünen verdoppeln ihre Kernwähler, Julian Assange verliert sich im Wunderland, und die Republikaner taumeln als Tanzarmee.

Frauenbonus? Blanke Ohnmacht. – Frau Merkel in Bayreuth Bild: dpa

taz: Herr Küppersbusch, war etwas in bundestagswählerischer Hinsicht gut vorige Woche?

Friedrich Küppersbusch: Die Wahlen 2017 rücken unaufhaltsam näher.

Und womöglich etwas schlecht?

Auf den Wahlzetteln fehlt die Option „Thema verfehlt, 6“

Die Grünen sind in den Umfragen wieder bei 10 Prozent angekommen. Weshalb?

Weil sie ihre Kernwählerschaft verdoppelt haben: 10 Prozent würden Grün wählen – auch wenn das null Einfluss auf die Regierungsbildung hat. Das ist doch ein Kompliment, zur Unzeit, klar. Ein rot-rot-grünes Projekt ist von der SPD unzureichend vorbereitet. Ein schwarz-grünes wäre politische Herzensbrecherei und zudem auch nur die Bewerbung, von Merkel niederkoaliert zu werden. Die Grünen kandidieren derzeit nur noch für Überzeugungswähler, nicht für Machtbastler.

Die Australier durften am 7. September Julian Assange wählen. Hätten Sie es getan?

Nein, einen Kachelmannprozess später vielleicht doch. Die Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe krieg ich nicht wegmeditiert; das muss geklärt werden. Tückisch, wenn es unwahr ist, hier beginnt das Wunderland der Verschwörungstheorien.

Am Sonnabend demonstrierten Tausende Menschen mit einer „Freiheit statt Angst“-Demonstration gegen Überwachung. Hilft das was?

Die Zahl hilft schon mal, an die Anfänge anderer Bürgerrechtsbewegungen zu denken. Umwelt & Frieden fingen auch nicht mit 500.000 auf der Bonner Hofgartenaue an. Mählich hebt sich auch Wut gegen die munter kooperierenden Unternehmen, Leute ändern ihre Gewohnheiten etwa bei Online-Banking und Mobiltelefongebrauch und Freiwilligenstasi wie Facebook. Da massive wirtschaftliche Interessen einhergehen, sehe ich das Potenzial hoch: Hier gehen nicht Bürger gegen die Atomwirtschaft und den Staat los, sondern Bürger und Wirtschaft gemeinsam.

Die Republikaner dürfen einen Wahlwerbespot mit bemalten Ärschen nicht mehr zeigen. Ist das aus künstlerischer Sicht nicht schade?

Da taumelt eine Tanzarmee à la Pupsburger Augenkiste übers Parkett, und dann werden die anderen Parteien als teils ansehnliche bunte Gesäße dargestellt. Konnotativ teilen die Republikaner mit, dass sie unter Drogen stehen und die Altparteien sinnlich seien. Das ist in der Tat pure Demagogie.

In der taz sagt ein linker Wirtschaftsforscher, dass die linken Parteien die Steuern nicht erhöhen sollten. Also FDP wählen?

Langsam glaube ich, dass Wirtschaftsforschung und Wissenschaft nicht in ein Wort passen. Der Gevatter fordert mehr Staatsausgaben für mehr Wachstum. Bedenkt man, dass die grünlinke Bewegung mit dem „Ende des Wachstums“ anfing, sind wir ja weit gekommen. Ein paar Korrekturen am Spitzensteuersatz sind aufs Ganze keine Steuererhöhung. Nein, auch die Grünen haben die Chance weggeschmissen, jetzt auf soliden Sparhamster zu machen: Das Schlimmste, was man Banken antun kann, ist, keine Kredite zu nehmen. Das hat Schwarz-Gelb bei allseits gefeierten „sprudelnden Steuereinnahmen“ vergeigt, da sind sie höchst angreifbar. Ideen zur Melodie „Wie werden wir noch reicher, um aus unserer Prunkkutsche ein paar Dukaten nach Griechenland zu werfen“, sind vordemokratisch. Es geht um europäische Gerechtigkeit. Grüne könnten das langfristig verstehen, die FDP guckt hilflos zum Dolmetscher.

Wenn selbst linke Freunde Merkel wählen wollen, was tun?

Frauenbonus? Kenn ich. Blanke Ohnmacht. Fragen: DAS

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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