Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Fair-Play-Pokal für Martin Schulz. Und Air Berlin ist Bulimie mit Flügeln, nur dass unterwegs ein paar clevere Manager fett wurden.

Ein Flugzeug mit der Aufschrift "air berlin.com"

Berlin-Ansichten: Diese gehört der Vergangenheit an Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergange-nen Woche?

Friedrich Küppersbusch: What a Buchmess! Randale macht rechten Unschuldslämmern Freude.

Und was wird besser in dieser?

Lesen.

Air Berlin ist Geschichte – weinen Sie der Fluglinie nach?

Die Editorials von Unternehmensgründer Joachim Hunold im Bordmagazin strotzten vor neoliberalem Agitprop. Hier schrieb ein Experte für Düsenrhetorik und nach Lektüre wusste man, dass Schokoherzen von Schokohirnen kommen. Eine Belegschaft, die Schmähungen von Arbeitnehmerrechten und Sozialstaat spazieren fliegen musste, könnte nun erleichtert sein. Die Geschichte der Airline ist typisch für Unternehmen, die Wachstum nicht durch Leistung erzielen, sondern mehr durch Zukauf von Umsatz. Nikki, LTU, dba, BelAir – solange eine Bank noch Kredit für solche Käufe raustat, sah das wie Erfolg aus, bejubelt im Geldsektenfeuilleton, und ist doch wie die Behauptung, ein Sturzflug sei auch ein Geschwindigkeitsrekord. Air Berlin ist Bulimie mit Flügeln, nur dass unterwegs ein paar clevere Manager fett wurden.

Österreich hat gewählt. Werden unsere Wahlkämpfe in Zukunft auch so schmuddelig?

Von seinem Fair-Play-Pokal kann sich Martin Schulz nichts kaufen. Erst in der Elefantenrunde und von allen Beratern ausgewildert, zeigte und konnte er Abgrenzung. Also unser Bundestagswahlkampf war eher unterschmuddelt und vor allem zu feige. In Österreich mag die Methode dummdreist von der FPÖ auf die anderen abgefärbt haben, ebenso wie Großkoalitis und ein Reigen umkämpfter Bundespräsidentenwahlen den Ton beeinflusst haben. Die CDU gewann die NRW-Landtagswahl mit einem raueren Ton, die deutsche Sprache steht unmittelbar vor Erfindung des Wortes „Wütchen“.

Die USA und Israel verlassen die Unesco. Gibt es dafür vielleicht auch gute Gründe?

Ja. Zu blöd, von innen zu reformieren, ist einer.

Nach dem Hollywood-Produzenten Weinstein ist auch Amazon-Filmstudio-Leiter Roy Price beschuldigt worden, Frauen belästigt zu haben. Price wurde mittlerweile suspendiert. Weinstein soll zudem Journalisten bestochen haben, um negative Berichterstattung gegen ihn zu unterbinden. Wundert Sie das alles?

Es wird mindestens einen Hollywood-Film darüber geben, und es wäre gut, wen den eine Frau produzieren würde.

Doris Schröder-Köpf findet, Wladimir Putin sei ein „sehr differenzierter, ein sehr kluger Mann“. Sollte sie zukünftig in der SPD eine wichtigere Rolle spielen?

Ist das jetzt frauenfeindlich oder russophob? Solange der Niedersächsische Landtag keine eigene Außenministerin wählt, ist das eine interessante Meinung aus persönlicher Bekanntschaft.

„Im deutsch-französischen Verhältnis zu Europa steht es derzeit 10:0 für Frankreich. Das ist ganz schlimm“, wird Außenminister Sigmar Gabriel zitiert. Verstehen Sie, was er damit meint?

Schäubles Vermächtnis: Non zu Macron. Kein europäischer Finanzminister, kein europäischer Finanzhaushalt, keine gemeinsame Haftung. Eine „klare Absage an ein neues Europa“ wutzettelt Gabriel. Schäuble beschreibt die nötigen EU-Verfahren wie ein Schulbeispiel der Chaostheorie, das man besser erst gar nicht anfasse. Gabriel dagegen könnte sich auf den linken Spinner Helmut Kohl berufen, der deutsche Souveränität minderte, um den Euro zu bekommen. Hat etwas vom unversöhnlichen Furor der beiden rivalisierenden Altbauern, die nachts ans hintere Ende der Weide schleichen und die Grenzpflöcke mal hin, mal her in den Boden rammen. Schäuble geht nächste Woche, Gabriel führt die Geschäfte bis Jamaika. Fällt dann das Finanzressort an die FDP, feixt Schäuble; wird’s grün, hofft Gabriel. Merkelstyle wäre also: neuer Finanzminister CDU.

Auf der ganzen Welt sei der Buchmarkt in den vergangenen 17 Jahren um die Hälfte eingebrochen, sagte Diogenes-Verleger Philipp Keel der FAZ. Lesen Sie auch weniger als vor 17 Jahren?

In der Schweiz fiel 2007 die Buchpreisbindung, 2015 wurde der Wechselkurs des Franken freigegeben. Das mag für Diogenes aus Zürich noch mal extradoof sein. Es wird mehr gelesen, online; und statt der Vorworte plädiere ich für leicht lesbare Zusammenfassungen am Buchanfang nach der Spiegel-Online-Methode für eilige Kunden. Bei Sarrazin-Regalprothesen wäre das immer noch mehr als viele Käufer gelesen haben dürften. Ansonsten lehne ich mich als befangen ab; wenn Sie mal einen Journalisten suchen, nehmen Sie einen Spaten und graben den nächsten Berg Rezensionsexemplare um.

Und was machen die Borussen?

Lothar Matthäus’ Analyse traf zu: bestes Spiel der Saison. Mario Götze laut WamS „bester Spieler des Abends“. Am Match BVB gegen RB Leipzig war also alles irregulär.

Fragen: AW

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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