Die Wochenvorschau von Susanne Messmer: Es wird dunkel in Berlin

Auch die Gottlosesten unter uns werden nun wieder wie aus Notwehr anfällig für Bräuche, die sie in der übrigen Zeit des Jahres noch so blöd finden. Die einzige Lösung: auswandern.

Selbst in Japan, wo wenig los ist mit Christentum, feiern sie Halloween Foto: reuters

Die Zeit ist umgestellt,ab sofort wird es wieder am Nachmittag dunkel, man kann sich, ob man will oder nicht, auf die alljährliche Kerzen-, Kekse- und Kuschelzeit einstellen. Weihnachten steht vor der Tür, wir alle, auch die Gottlosesten unter uns, verwandeln sich wieder aus blanker Ermattung zwei Monate lang in Scheinchristen, davon kann auch das heute stattfindende Halloween-Spektakelnicht ablenken, bei dem seit Jahren die verwöhnten Blagen aus Prenzlauer Berg, Mitte und Kreuzberg noch den ärmsten Ladenbesitzern den letzten Bonbon aus der Tasche ziehen.

Natürlich weiß kaum einer dieser Rotzlöffel, warum es eigentlich Halloween feiert – dass selbst dieses neue popkulturelle Brauchtum, auf das sich angeblich alle Stadtbewohner unabhängig von Religion und Hautfarbe einigen können, noch einen christlichen Hintergrund hat: dass es sich bei dieser Party nämlich um All Hallows’ Eve handelt, den Abend vorm katholischen Hochfest Allerheiligen. Ebenso wenig wird sie interessieren, dass rund um Berlin, in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am heutigen Reformationstag kein Kind zur Schule muss. Und dass heute gar das Lutherjahr 2017 eröffnet wird, das keinen angeht, aber doch alle prägt: Iinklusive Gottesdienst in der Marienkirche mit Bundespräsident Joachim Gauck.

Es ist also wieder Zeit, sich schwach zu fragen, wohin eigentlich die Vögel ziehen, wenn es kalt wird – und wie aus Notwehr für Bräuche anfällig zu werden, die man in der übrigen Zeit des Jahres noch so blöd finden mag. Nur leider erschöpft sich diese Jahreszeit nicht in Gemütlichkeitsfolklore. Denn es wird nicht nur dunkler, es wird auch kälter. Darum beginnt diese Woche auch die Berliner Kältehilfe zu arbeiten. Zum Glück, denn all jene, die jetzt kein Dach über dem Kopf haben, fürchten sich ja wirklich begründet vor dem, was jetzt kommt.

So oder so: den Vögeln hinterher. In den Süden. Das wäre die einzige Lösung.

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