Die deutsche Futsal-Nationalmannschaft: Flirt mit der Unbekannten

Lennart Hartmann, eine der großen Hoffnungen des deutschen Fußballs, ist nun Nationalspieler geworden – in der Futsal-Auswahl des DFB.

Deutsche Futsal-Meisterschaft in Hamburg

Zweite Karriere: Lennart Hartmann (r.) im Finale um die Deutsche Meisterschaft für den FC Liria gegen die Hamburg Panthers Foto: Imago/Manngold

BERLIN taz | „Für Georgien waren das schon richtige Länderspiele“, sagt Lennart Hartmann. Voll sei die Halle gewesen und die Begeisterung sehr groß. Der Deutsche Fußball-Bund stuft die Ergebnisse von Tiflis dagegen als „inoffiziell“ ein. Die beiden ersten Begegnungen der gerade neu gegründeten deutschen Futsal-Nationalmannschaft Mitte April in der georgischen Hauptstadt, die mit 0:4 und 0:5 erwartungsgemäß deutlich verloren gingen, werden in der verbandsinternen Berichterstattung als „Trainingsspiele“ bezeichnet. Die eigentliche Premiere soll erst im Herbst stattfinden, wenn man sich besser gerüstet wähnt.

Weil die große Fußballnation die Entwicklungen bei der von der Fifa protegierten Variante des Hallenfußballs völlig verschlafen hat, will man das eigene noch junge und sensible Gebilde so gut wie möglich schützen.

Derlei Fürsorge braucht Hartmann nicht. Er hat in den letzten Jahren mit Niederlagen ganz anderer Art zurechtkommen müssen. Nun ist der 25-Jährige einfach glücklich, es wieder in eine Auswahlmannschaft geschafft zu haben. „Deutscher Futsalnationalspieler“, sagt er, „das ist schön zu lesen. Das ist einfach ein bisschen Anerkennung. Ein kleiner Ego-Push.“

Mit Anerkennung ist Lennart Hartmann einst überschüttet worden. Von der U16 an wurde er regelmäßig in die jeweiligen deutschen Juniorennationalmannschaften berufen. Die 10 auf seinem Trikot spiegelte seinen hohen Stellenwert wider. Im Jahr 2008 wurde er als zweitbester Nachwuchsspieler seines Jahrgangs ausgezeichnet. Im selben Jahr schickte ihn Trainer Lucien Favre bei Hertha BSC Berlin erstmals im Profiteam gegen Eintracht Frankfurt aufs Feld.

Viele betrachteten das damals als den Startschuss einer ganz großen Laufbahn. Bis heute steht Hartmann als jüngster Bundesligadebütant (17 Jahre, 4 Monate) in den Geschichtsbüchern des Vereins.

Lennart Hartmann

„Deutscher Futsal­nationalspieler, das ist schön zu lesen. Ein kleiner Ego-Push“

Mittlerweile ist Hartmann aber zum Bewunderer anderer Karrieren wie der seiner einstigen Teamkollegen Patrick Herrmann und Christoph Kramer geworden. Beide gehören dem Elitekreis von Bundestrainer Joachim Löw an. „Wahnsinn, wie erfolgreich die sind“, sagt Hartmann.

Er sitzt an dem schönen Frühlingstag draußen neben der Mensa der Freien Universität Berlin. Seit geraumer Zeit studiert der Exprofi hier Jura. Nächstes Jahr steht das erste Staatsexamen an. Er ist mit der U-Bahn gekommen. Auf dem Rücken trägt er einen kleinen Rucksack, seine graue Jeans hat modische Löcher und Risse. Die Sonnenbrille steckt in den Haaren. Lennart Hartmann ist ein Freund des lässigen und lockeren Auftritts.

Vom Pech verfolgt

Sein Leben hat indes wenige Freiräume für Lässigkeiten geboten. Viele Entbehrungen, erzählt er, habe er auf dem Weg zum Profifußballer hinnehmen müssen. Und als er kurz vor dem Ziel war, wurde er auf Schritt und Tritt vom Pech verfolgt.

Auf Favre, seinen Mentor, folgte bei Hertha mit Friedhelm Funkel ein Trainer, der im Abstiegskampf nur erfahrenen Spielern vertraute. Der Neuanfang bei Alemannia Aachen missglückte, weil auch dort ein Trainerwechsel ihm ein Wiedersehen mit Funkel bescherte.

Vor allem die Einsamkeit im Profigeschäft nach schwerwiegenden Verletzungen machten Hartmann zu schaffen. „Als junger Spieler brauchst du Zuspruch. Es ging mir psychisch nicht gut.“ Die fehlende Fortune bei seiner Karriereplanung setzte sich konsequent fort.

Falsche Entscheidungen

Vor drei Jahren schlug er ein Angebot vom heutigen Erstligisten Darmstadt 98 aus. Hartmann räumt ein, dass ihm in den letzten Monaten vor dem Fernseher bisweilen schon die Frage gekommen sei: „Was hast du eigentlich falsch gemacht, dass du nur falsche Entscheidungen triffst?“

Aber auch wenn er ein wenig hadert mit der Vergangenheit, betont er den heutigen Zugewinn an Lebensqualität. An der Uni könne er ganz andere Gespräche führen. Und Fußballnationalspieler ist er doch noch geworden – wenn auch nur in der Halle. Immerhin hat er sich aus einem Kandidatenkreis von knapp 200 Kickern durchgesetzt und zählt nun zu den 25 Auserwählten. Mit Timo Heinze ist im Übrigen noch ein ehemaliger DFB-Juniorennationalspieler dabei, der mit einem Buch seine gescheiterte Karriere beim FC Bayern München verarbeitet hat.

Geld verdienen

Anfangs war Hartmanns Ausflug in die Halle nur eine Angelegenheiten unter Freunden. Vor sechs Jahren sammelte er seine ersten Erfahrungen. Und eigentlich hat bis heute sein Engagement beim Sechstligisten VSG Altglienicke Priorität. „Im Unterschied zum Futsal kann ich dort wenigstens Geld verdienen.“

Beim Hallenfußball wird er dafür mit der Währung Aufmerksamkeit entlohnt. Neben seiner Nationalmannschaftsberufung konnte er dieses Jahr mit seinem Berliner Verein, dem FC Liria, die Deutsche Vizemeisterschaft feiern. Es ist für Hartmann so etwas wie ein Flirt mit einer großen Unbekannten. Wo das genau hinführen wird, kann er selbst nicht einschätzen, aber er sagt: „Es passiert gerade sehr viel im Futsal in Deutschland.“ Die Qualität der Mannschaft werde sich mit der verstärkten öffentlichen Wahrnehmung in den nächsten Jahren gewiss steigern.

Dieses Mal kann Lennart Hartmann dem Ausleseprozess entspannt entgegensehen. Auf ihn lastet vordergründig der Druck, sein Jurastudium erfolgreich abzuschließen. Aber dem begegnet er ebenfalls mit Gelassenheit: „Wenn du das System der Auslese im Profifußball kennst, kannst du auch damit umgehen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.