Die emotionslose Raute: Mehr Gefühl wagen?

Heißt gute Politik keine Emotionen? Die Themen der Heinrich-Böll-Stiftung auf dem taz.lab 2015 mit Eva Illouz und Elisabeth Beck-Gernsheim.

CDU-Wahlkampf mit der Kraft der Raute und Photoshop-Lächeln unweit des Kanzleramts in Berlin. Bild: ap

Böll @ taz.lab 2015: Diskussionen mit Eva Illouz, Elisabeth Beck-Gernsheim, Julia Encke und Susanne Lang

Früher, als mehr Lametta war, war Politik mehr Leidenschaft. Heute regiert die Raute, und sie tut es emotionslos. Die vornehme Unangreifbarkeit der merkelschen Geste stützt sich auf das Wissen, mit Platon die abendländische Erkenntnistheorie zur Seite zu haben: Emotionen setzen das Denken außer Kraft!

Politik in aufgeklärten Gesellschaften kann nicht emotional sein, schließlich hängt das Gemeinwohl davon ab, dass sich in der Politik hauptsächlich rational begründete Entscheidungen durchsetzen. Dies kann nur in einem institutionellen Kontext erfolgen, der die emotionalen Motive, die sich in den politischen Kontroversen artikulieren, systematisch herausfiltert.

Die Unterstützung der Heinrich-Böll-Stiftung auf dem taz.lab ist bereits zur guten Tradition geworden. Weltweit vernetzt, beschäftigt sie sich mit Fragen der Globalisierung und nachhaltiger Entwicklung, der Klimapolitik, der Zivilgesellschaft und Geschlechterpolitik.

Politik ist nicht nur immer reine Vernunft

Jahrgang 1973, ist Referentin für Sozialpolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin.

Reicht aber der klare Verstand, der habermassche "zwanglose Zwang" des besseren Arguments aus, dem Gemeinwohl politisch zur Geltung zu verhelfen, oder bedarf es darüber hinaus nicht auch einer positiv-emotionalen Bindung der Bürgerinnen und Bürger an eine gemeinsame Sache?

Politik und Gefühl: Gedöns für die einen, große Fragen für uns. Große Fragen verlangen große Namen. Antworten zu finden hilft auf dem taz.lab die israelische Soziologin Eva Illouz.

Sie kennt sich aus mit der wechselseitigen Prägung von Gefühlen und sozialer Institution und wurde von der Wochenzeitung Die Zeit als eine der Personen bezeichnet, die das Denken der Zukunft verändern werden. Mit ihr spricht Julia Encke, Journalistin und Autorin, Verfechterin von mehr Charisma in der Politik.

Was heißt Familie sein heutzutage?

Apropos früher: Da war auch mehr Familie, sagen die einen. Nicht mehr, aber anders, sagt Elisabeth Beck-Gernsheim, die Grande Dame der deutschen Familienforschung.

Das Monopol, das Familie als Beziehungsform über lange Zeit hatte, besteht nicht mehr, und Bindungen anderer Art bestimmen unser Leben: Eine neue Form eben, die „postfamiliale Familie”.

Da wir diese in Berlin gefühlt (fast) alle aus eigener Erfahrung gut kennen, findet die Autorin Susanne Lang mit Elisabeth Beck-Gernsheim und anderen heraus, wie weit die neuen Wahlverwandtschaften echt tragen.

DOROTHEE SCHULTE-BASTA