Die letzte Schau mit Design der 1950er- und 1960er-Jahre im Kestner-Museum: Äpfel und Birnen zusammengezwungen

Um einen überschaubaren Betrag zu sparen, werden in Hannover zwei Museen zusammengelegt, die disparater nicht sein könnten: das Historische und das Kestner-Museum. Was mit dessen Design-Abteilung passieren soll, ist unklar.

Fast schon wieder Trend: Radio/Rundfunkgerät "Pop 70", entworfen vermutlich im Jahr 1969. Bild: Christian Tepper

HANNOVER taz |150.000 Euro soll Hannover sparen. Erreichen will man das – so hat es der Rat beschlossen – durch einen Museumsverbund zwischen dem Historischen Museum und dem Museum August Kestner. Dieser Verbund soll zudem helfen, die Profile beider Häuser zu schärfen, attraktive Angebote zu entwickeln und die Besucherzahlen zu steigern. Nicht zuletzt sollen sich damit die Einnahmen erhöhen.

So steht es in einem Papier vom Juni 2013, das eine Münchener Beratungsgesellschaft für die Stadt Hannover erarbeitet hat. In einem ersten Schritt werden zum 1. Juli dieses Jahres die Museumsverwaltungen zusammengelegt. Für die weiter gehende Umorganisation und Neuausrichtung braucht die Stadt nach eigenem Bekunden noch wenigstens die nächsten zwei Jahre.

Nun sind die beiden Museen aber so grundverschieden, dass man sich – zumindest aus der Distanz zu Hannoverschen Interna – nach der Sinnfälligkeit dieser Fusion fragt. Das Historische Museum widmet sich nämlich der (alten) Stadt- und Regionalgeschichte. Das 1889 eröffnete Museum August Kestner dagegen verfügt über die bedeutende Antiken-Sammlung des Namensgebers sowie weitere Schenkungen honoriger Bürger, die von mittelalterlichem Kunsthandwerk bis zu modernem Design reichen. Es repräsentiert nach eigenen Angaben 6.000 Jahre menschlicher Kreativität und versteht sich als Museum der Sammler.

Qualität und Quantität des Bestandes an modernem Design ab dem Jugendstil bewertet der scheidende Direktor des Hauses, Wolfgang Schepers, recht selbstbewusst als vergleichbar etwa mit dem Grassimuseum in Leipzig oder dem Museum für angewandte Kunst in Frankfurt, nur das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe sei natürlich überlegen.

Allerdings hat Schepers derzeit auch guten Grund, mit diesem Pfund zu wuchern. Denn in einigen Varianten, die das Einspar-Papier der Beratungsgesellschaft durchspielt, wird die Abteilung Design, wie es scheint, recht stiefmütterlich hin- und hergeschoben, landet wahlweise im Depot oder wird dem ebenfalls städtischen Sprengelmuseum angetragen, das gerade einen Erweiterungsbau erhält und vielleicht ja nicht nur räumliche Kapazitäten frei hätte.

Dass allerdings nicht jede Institution aus dem Stand heraus etwas mit Design anfangen könnte, sondern dafür des speziellen kunsthistorischen Auftrags bedürfte: Das sollte spätestens dann klar werden, wenn Fachmann Schepers mit Verve über die aktuelle Wechselausstellung zur Produktgestaltung der 1950er- und 1960er-Jahre in seinem Hause spricht.

Diese Ausstellung, die ihren zeitlichen Betrachtungsraum sehr stringent begrenzt, stellt rund 100 Objekte aus der eigenen Sammlung – allesamt sogenanntes Autorendesign namhafter Formgeber – neben etwa 20 Leihgaben privater Sammler. Die haben unter anderem anonyme Klassiker wie Tütenlampe, Nierentisch oder die Knabbergebäckschale in Gestalt einer venezianischen Gondel beigesteuert. Eine bebilderte Zeitschiene entlang der Wand kontextualisiert die Exponate, auch in die lokale Historie.

Einige Zeitschriftencover, allen voran der Spiegel-Titel von 1959 zum „Wunder von Hannover“ – Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht stellte darin seine Vision einer modernen Stadt mit einem grandiosen Netz aus Schnellstraßen vor –, bezeugen die mentale Aufbruchsstimmung in Zeiten des Wirtschaftswunders.

In kompakten Regalvitrinen werden zudem Chronologie und stilistische Tendenzen der Formgebung umrissen: vom schnittigen Stromliniendesign über eine gemäßigt organische Haltung bis zum stark von der bildenden Kunst beeinflussten systemkritischen Pop- und Radical-Design der späten 1960er-Jahre reichen diese Trends.

Bemerkenswert sind zudem parallele Entwicklungen im Design der DDR. Es gab dort eben nicht nur Plagiate westdeutscher Produkte für den heimischen Bedarf. Zum Export wurde beispielsweise eine ambitionierte, international orientierte Tischkultur entworfen, die für ihre Fertigung auf traditionsreiche Firmen der Glas-, Porzellan- und Metallwarenindustrie zurückgreifen konnte. Das Hotelgeschirr oder Pressglasserien von Margarete Jahny etwa erwiesen sich als ästhetisch langlebig und wurden über Jahrzehnte produziert.

Volontärin Eva Gläser lässt die von ihr kuratierte Schau in zwei kleinen Rauminstallationen kulminieren: eine aus mustergültigem Design jener Zeit, die andere mit anonymen Objekten. Sie setzt auf visuelle Erkenntnismomente, die über eine erinnernde Verklärung hinausreichen. Es bleibt zu hoffen, dass derartige Befragungen der einzigen Gebrauchskultur-Sammlung der Moderne in Niedersachsen kontinuierlich und qualifiziert fortgeführt werden. Auch dann, wenn der Museumsverbund in allen Details umgesetzt ist.

Aufbruch. Umbruch. Stilbruch? Design der 1950er und 1960er-Jahre. Museum August Kestner, bis 4. August
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