Die sportliche Zukunft Hamburgs: Der Abstieg

So oft sah es danach aus, immer geschah am Ende ein Wunder. Diese Saison nicht mehr: Der HSV steigt ab und spielt nicht mehr in der Fußball-Bundesliga mit. Na und?

Der Abstieg des HSV: Noch lange keine Grund, die Fan-Höhlen umzudekorieren Foto: Jakob Börner

BREMEN taz | War es Schicksal? War es verdient? War es am Ende ein Unfall? Wäre Häme am Platz? Oder Freie- und-Hansestadttrauer geboten? Ach, was. Die Tränen sind vergebens, schnördelt schon Hans Albers, und der Abstieg des HSV aus der Bundesliga ist keine Angelegenheit von emotionaler Bedeutung.

Es ist vielmehr ein Prozess von geradezu administrativer Nüchternheit und bewundernswerter Konsequenz. Mit ihm entspricht der größte, durch obszöne Geld- und Machtgaben eines Großkapitalisten korrumpierte Verein der Stadt endlich einem deutlich artikulierten Wunsch der Bürger*innen des stolzen Stadtstaats – nämlich von dem kommerzförmigen Sportquatsch loszukommen: Das, was denn sonst, war der Sinn des Olympia-Referendums von 2015.

Eventisierte Attacke auf die Bürgerrechte

Denn Fußballbundesliga ist nur eine Distribution von Olympia, die zeitliche Streuung dieser eventisierten Attacke auf die Bürgerrechte entlang des Jahreskreises. Olympia, Champions League, Erste Liga: Die Pseudo-Hochgefühle, die diese Unterhaltungsformen auslösen und der mit ihnen verbundene überkapitalisierte Starrummel des lukrativen Profisports, hatten ohnehin nie richtig nach Hamburg gepasst – weder zum hanseatischen Understatement noch zum ehrlich verschwitzten Dockarbeiter-Ethos: Ihren Zweck, andere Waren – Coca Cola, HSH-Nordbank-Kredite zu Emirates-Fernflügen – oder eiskalt kalkulierende Kapitalisten vom Schlage eines Klaus-Michael Kühne zu emotionalisieren, sie als Investoren in die gemeinsame Sache, in ein vermeintliches Herzensanliegen darzustellen, haben die klugen Hamburger Bürger*innen durchschaut. Sie lehnen ihn ab.

Und sie haben sich ihm verweigert: kein Olympia in Hamburg. Keine Anschutz-Entertainment-Eishockey-Profis in Hamburg. Kein Top-Handball, kein ATP-Master-Tennisturnier und jetzt endlich auch keinen Erstligafußball. Der HSV war nur noch ein Überbleibsel, die letzte Bastion des landauf, landab irrtümlich als Spitzensport bezeichneten Antisports, dessen führender Anbieter unter den Bundesländern Bayern und dessen derzeit verbreitetste Erscheinungsform eben jenes bloße Fußballtheater ist – das aber anders als Schauspiel, Ballett oder Oper den Diskurs nicht anregt, sondern mit ziemlich eintönigen Handlungsabläufen sediert.

Sport soll Spaß machen

Was die Hamburger*innen wollen, ist Sport, der Spaß macht, der keine unerreichbaren Idole produziert, sondern erreichbare Ziele nahelegt. Sie wollen einen Sport, der aktiviert. Denn Sport ist ja eben nicht, kommentierend vor der Glotze zuzugucken oder sich bestenfalls im Stadion oder davor besoffen mit den Anhänger*innen der Gegenseite zu prügeln. Sport ist vielmehr, selbst tätig zu werden. Hamburg ist die Stadt, deren Bürger*innen es geschafft haben, sich zum befreienden Sport zu befreien. Sie haben den Entzug mit froher Zuversicht 2015 beschlossen und sind nun auf bestem Wege, von dieser ihnen aufdringlich eingetrichterten Droge loszukommen, auf eigenen Wunsch, aus eigener Kraft.

Statt sich von gleichgeschalteten Antisportberichterstattern das ewig gleiche Abstiegslamento vorjammern und ein barmendes Wiederaufstiegsbegehrenn einflüstern zu lassen, setzen selbstbewusste und selbstbestimmte Hamburger*innen ihre Hoffnung auf einen reibungslosen Durchmarsch in die Regionalliga Nord.

Den ganzen Schwerpunkt der taz nord über das abgebrannte HSV-Land und die Zukunft der anderen Fußballclubs aus dem Norden lesen Sie in der taz am Wochenende am Kiosk oder am e-Kiosk.

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Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

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