Die was bewegt haben (I): Sieg, Hochzeit und Beerdigung

Heinz-Friedrich Harre (†) und Reinhard Lüschow erkämpften die Ehe für alle. Sie gehörten zu den ersten Paaren, die sich das Ja-Wort gaben.

Ein Sonntag in Hannover: Reinhard Lüschow (r.) und Heinz-Friedrich Harre nach ihrer Eheschliessung am 1. August Foto: dpa

HAMBURG TAZ Heiraten? Mit Ring, Torte und den Rechten und Pflichten von Eheleuten – als Schwule? Als Reinhard Lüschow und Heinz-Friedrich Harre 1991 in Hannover zusammenzogen, klang der Ruf nach einer Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wie eine irre Utopie. Schon miteinander zu leben, fühlte sich wie ein Abenteuer an, berichteten die beiden im Herbst diesen Jahres der taz. Der Hausbesuch fand kurz vor ihrer Hochzeit Anfang Oktober statt. Lüschow und Harre gehörten zu den ersten Paaren, die sich das Ja-Wort gaben, für das sie ein Vierteljahrhundert gekämpft hatten. Der späte Triumph kam noch gerade rechtzeitig, denn Harre war an einer lebensgefährlichen Lungenschwäche erkrankt.

Das Paar lernte sich Anfang der 90er-Jahre kennen. Lüschow war damals noch mit einer Frau verheiratet und begriff durch Heinz Harre, dass er nicht nur Sex unter Männern wollte, sondern dass er in Harre seine Lebensliebe gefunden hatte. Der Kampf um die Ehe für alle wurde ihr Lebensthema. Sie beteiligten sich an der „Aktion Standesamt“, bei der am 19. August 1992 bundesweit 250 homosexuelle Paare in ihren lokalen Standesämtern das Aufgebot ihrer Hochzeit bestellten. In Hannover diktierten Lüschow und Harre vor der Standesamtstür in Blöcke und Mikrofone, dass es beim Hochzeitswunsch nicht um Tüll und Glocken, sondern um einklagbare Rechte ging.

Protestplakat vor dem Dom

Mit dem Plakat „Unsere Liebe verdient Respekt“ demonstrierten sie 1996 mit anderen Schwulen und Lesben vor dem Dom in Hildesheim gegen die starre Haltung der katholischen Kirche.

Neun Jahre später war eine wichtige Hürde geschafft: Gleichgeschlechtliche Paare durften die Lebenspartnerschaft eintragen lassen. Lüschow und Harre waren bundesweit das erste Männerpaar, das sich am 1. August 2001 ihre Beziehung beglaubigen ließ.

Dennoch brachte das Lebenspartnerschaftsgesetz mehr Pflichten als Rechte. Lüschow und Harre zogen, stellvertretend für andere Paare, mehrfach vor Gericht, um die Gleichstellung voran zu treiben, und warben in Interviews und Talkshows für ihr Anliegen.

Heinz-Friedrich Harre starb Ende Oktober nach einer Flitterwoche auf Norderney – friedlich, zu Hause und ohne an einer Maschine zu hängen, berichtete sein Ehemann. Sie waren knapp einen Monat verheiratet gewesen.

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