Digitales Geld: Der Spion in deinem Portemonnaie

Bei Amazon und Ebay kann mit virtuellem Geld bezahlt werden. Das bindet die Kunden – und ermöglicht tiefe Einblicke in ihr Kaufverhalten.

Ein Klick - und schon verfügt der Konzern über Zahlungsdaten. Und individuelles Konsumverhalten. Bild: dpa

BERLIN taz | Es sieht ein bisschen aus wie die Münze aus einem Fantasy-Spiel: eine Frau mit Pfeilköcher auf dem Rücken, die gerade ihren Bogen spannt, im Hintergrund ein Bergpanorama, alles in Gold. Wären da nicht die Worte am Rand: Amazon. Coin.

Seit Mai vergangenen Jahres können US-Kunden mit Amazons virtuellem Geld zahlen, seit November auch Kunden in Deutschland. Eine Coin entspricht dabei einem Dollar- beziehungsweise Euro-Cent, in Großbritannien einem Penny. Apps und Spiele lassen sich damit erwerben und In-App-Käufe tätigen. Einen Virenscanner für 99 Coins, also Cents, ein Kinderspiel zum Zahlenlernen für 199 Coins – wer für so geringe Beträge nicht immer die Kreditkarte zücken oder seine Kontodaten eingeben will, kann mit Coins von seinem Amazonkonto zahlen.

Und der Konzern ist nicht der Einzige, der ins Portemonnaie der Nutzer will: Google bietet – bislang nur für Nutzer in den USA – eine Art digitales Portemonnaie samt Plastikkarte zum bargeldlosen Zahlen an. Und Paypal, das längst nicht nur bei Ebay-Händlern beliebt ist, will sich auch in anderen Bereichen etablieren: dem mobilen Zahlen per Smartphone. In bundesweit mehr als 70 Bars, Restaurants und Cafés ist das seit Juli möglich.

„Mehrere Unternehmen versuchen gerade, ins Zentrum des Markts für digitale Finanztransaktionen zu kommen“, sagt Edward Castronova. Der Wissenschaftler forscht an der Indiana University Bloomington unter anderem zu virtuellen Welten und ihren Ökonomien. Er sagt: Verbraucher reagieren beim digitalen Warenkauf nicht nur sensibel auf Preisunterschiede, sondern auch auf Unterschiede in Sachen Bequemlichkeit. Das heißt: Je weniger Schritte der Bezahlprozess erfordert, je weniger Daten und Zahlen ein Nutzer eingeben und abgleichen muss, desto eher schließt er einen Kauf ab.

Die unternehmenseigenen Zahlungssysteme haben so einen zentralen Effekt: Sie halten Kunden im eigenen Kosmos. „Kunden werden auf diese Weise mehr Geld ausgeben“, sagt Castronova.

Der Kunde im Kosmos der Konzerne

Auch wer bei Amazon bereits angemeldet ist, seine Daten hinterlegt und Coins erstanden hat, kauft seine Apps eher dort – obwohl sie woanders billiger sein können. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen verglich im Juni die Preise von 30 beliebten Apps bei Amazon und im Google-Store. Das Ergebnis: Im Schnitt zahlten Nutzer bei Google 7 Prozent weniger.

Fünf Apps, die bei Amazon kostenpflichtig waren, gab es bei Google kostenlos. Amazon-Nutzer hatten daher erst dann einen finanziellen Vorteil, wenn sie gleich hundert Euro in Coins tauschen – dann gibt es einen Rabatt von zehn Prozent. Auf ähnliche Effekte der Kundenbindung setzen Kaufhäuser und Supermärkte mit Treuepunkten oder Rabattkarten. Zumal sich – wie Amazon einräumt – Restbeträge der Coins nicht zurücktauschen lassen.

Bei Googles digitalem Portemonnaie samt Karte vermutet Markus Feck, Finanzjurist von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen noch einen anderen Zweck. „Die wollen den absolut gläsernen Kunden.“ Abhebungen am Geldautomaten genauso wie Zahlungen im Supermarkt liefern Daten zu Konsumgewohnheiten, Überweisungen Informationen über das soziale Umfeld. Dank der Verbindung von Zahlungs- und Standortdaten, anderen Quellen persönlicher Informationen und Werbenetzwerk lässt sich nicht nur Werbung außerhalb des Internets – etwa auf Bildschirmen in Supermarkt – anpassen.

Alle wollen ein Stück vom Kuchen

Auch eine individuelle Preisgestaltung ist möglich – je nach Zeitpunkt oder potenziellem Käufer. Bei Flügen und Hotelzimmern sind kurzfristige Preisänderungen bereits üblich, beispielsweise mit höheren Preisen kurz vor Reisezeitpunkt. Im stationären Handel werden dynamische Preise in dem Moment attraktiv, in dem Händler die Vorlieben ihrer Kunden sehr genau kennen.

Google äußerte sich auf Anfrage nicht zu den Plänen, die Zahlungsdienste auch außerhalb der USA anzubieten. Berichten zufolge, die der Konzern nicht bestätigen will, verfügt er jedoch bereits über eine Banklizenz in den Niederlanden.

Auch die Ebay-Tochter Paypal erhält deutlich mehr Informationen über ihre Kunden, wenn die nicht nur das ersteigerte Fahrrad, sondern auch den morgendlichen Kaffee und den abendlichen Restaurantbesuch über die Plattform abwickeln. Feck vermutet trotzdem einen anderen Zweck: Umsatzsteigerung. Denn bei jeder Transaktion bekommt der Dienst eine Provision – nach eigenen Angaben zwischen 1,5 und 1,9 Prozent des Preises, plus 35 Cent. Für Händler kann das durchaus günstiger sein als die 2 bis 4 Prozent, die in der Regel bei Zahlung mit Kreditkarten fällig werden.

Der nächste Konzern, der in Finanzsachen mitmischen will, steht schon in der Spur. Facebook soll Berichten der Financial Times zufolge in Kürze eine Banklizenz in Irland erhalten. Dazu passt, dass das Unternehmen kürzlich einen einschlägigen Experten verpflichtet hat – David Marcus, den ehemaligen Chef von Paypal.

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