Diplomatie in der Ukraine-Krise: Ein Kampf der Worte und des Geldes

Putin warnt vor eingeschränkten Gaslieferungen. Der IWF entscheidet erst Ende April über Milliardenhilfen. Die Nato sorgt sich um die russischen Truppen an der Ostgrenze.

Könnte Straffreiheit erhalten: ein prorussischer Besetzer eines staatlichen Gebäudes in Donezk. Bild: ap

KIEW/STRASSBURG dpa | In der Ukraine-Krise wird der Ton zwischen Russland und dem Westen immer rauer. Die parlamentarische Versammlung des Europarates entzog den russischen Abgeordneten vorläufig das Stimmrecht. Zudem drohte das Gremium in Straßburg mit dem vollständigen Ausschluss, falls Moskau die Annexion der Krim nicht rückgängig mache, hieß es in der am Donnerstag mit großer Mehrheit angenommenen Resolution.

Kremlchef Wladimir Putin warnte in einem Brief mehrere EU-Staats- und Regierungschefs vor möglichen Folgen für den Transit von russischem Gas in den Westen wegen des Konflikts mit dem Nachbarland. Und die Nato äußerte sich besorgt über die weiterhin starke Präsenz russischer Soldaten an der Grenze zur Ukraine.

Putin kritisierte die Untätigkeit der EU. „Was ist mit unseren europäischen Partnern? Anstatt der Ukraine wirkliche Hilfe anzubieten, reden sie über eine Absichtserklärung“, hieß es in dem fünfseitigen Schreiben, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Russland hingegen habe das Nachbarland in den vergangenen vier Jahren mit 35,4 Milliarden US-Dollar (heute 25,5 Milliarden Euro) unterstützt. „Niemand außer Russland hat geholfen“, betonte Putin.

Moskau hatte Kiew zuletzt mehrere Rabatte gestrichen und die in einem Vertrag von 2009 festgeschriebenen hohen Preise wieder angesetzt. Damit soll die chronisch klamme Ukraine jetzt so viel Geld für Gas bezahlen wie kein EU-Mitgliedsland. Moskau erwägt, Energie künftig nur noch gegen Vorkasse an Kiew zu liefern.

Als Alternative zu russischen Lieferungen war zuletzt ein Transport über die Slowakei in die Ukraine ins Gespräch gebracht worden. Der slowakische Regierungschef Robert Fico forderte aber nun EU-Garantien für mögliche Gastransporte. Ansonsten müsse das EU-Mitglied Sanktionen Russlands befürchten, warnte Fico.

IWF-Entscheidung frühestens Ende April

Der Internationale Währungsfonds (IWF) wird frühestens Ende April über die Milliardenhilfen für die nahezu bankrotte Ukraine entscheiden. Es gebe „von allen Ecken des Exekutivrates Unterstützung“ für das vorläufig ausgehandelte Paket, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde in Washington. Die mögliche Summe zwischen 14 und 18 Milliarden Dollar genüge, damit die Ukraine ihre Verpflichtungen begleichen könne. Russland erwartet, dass das Geld direkt auf die Konten seiner Staatskonzerne fließt.

In der Ukraine stellte die prowestliche Regierung unterdessen den prorussischen Separatisten im Osten Straffreiheit in Aussicht. Falls die Aktivisten die besetzten staatlichen Gebäude in Lugansk und Donezk freiwillig räumten und ihre Waffen niederlegten, werde die Justiz keine Verfahren gegen sie einleiten, sagte Interimspräsident Alexander Turtschinow. Innenminister Arsen Awakow hatte den Provokateuren dagegen mit gewaltsamer Räumung gedroht.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warnte Russland erneut eindringlich vor einem weiteren Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. „Meine Nachricht aus Prag an Russland ist: Sie haben die Wahl“, sagte er. Ein Einmarsch in der Ostukraine würde zur internationalen Isolierung Russlands und harten wirtschaftlichen Sanktionen führen, sagte Rasmussen nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Bohuslav Sobotka in der tschechischen Hauptstadt.

40.000 russische Soldaten

Nach Angaben der Nato sind bis zu 40.000 russische Soldaten im Grenzgebiet zur Ukraine jederzeit einsatzbereit. „Dies sind beachtliche Streitkräfte von hoher Einsatzbereitschaft. Und sie sind in der Lage, sich sehr rasch zu bewegen“, sagte der britische Brigadegeneral Gary Deakin, Direktor des Zentrums für Krisenmanagement im militärischen Nato-Hauptquartier in Mons (Belgien). „Es ist sehr ungewöhnlich, eine so große Truppe so lange einfach in der Landschaft stehen zu lassen.“

Das Außenministerium in Moskau warf Rasmussen Stimmungsmache gegen Russland vor. Er versuche, die Reihen des Bündnisses mit Berufung auf eine eingebildete äußere Gefahr und auf Kosten Russlands zu festigen.

Der im Europarat beschlossene Ausschluss der russischen Abgeordneten aus der Parlamentarischen Versammlung gilt bis Ende des Jahres. Die Russen können sich an den Debatten beteiligen, dürfen jedoch nicht abstimmen. Eine weitergehende Forderung, die 18 russischen Abgeordneten komplett auszuschließen, wurde zurückgewiesen. Die russische Delegation verließ aus Protest den Sitzungssaal.

Putin hatte immer wieder betont, dass Russland für den Anschluss der Krim bereit sei, Nachteile auf internationaler Bühne in Kauf zu nehmen. „Die Situation um unser Land ist natürlich nicht die einfachste. Aber es gibt nichts Wichtigeres, als unser eigenes Wohlbefinden – wirtschaftlich wie sozial“, sagte Putin.

Sieben Wochen nach der Tötung Dutzender Demonstranten in Kiew durch Scharfschützen wachsen nach Informationen des ARD-Magazins „Monitor“ (Sendung am Donnerstagabend) Zweifel an der offiziellen Version der Ereignisse. Die Staatsanwaltschaft und die neue Regierung hatten bisher nur Mitglieder der Polizeieinheit Berkut (Steinadler) als Schuldige präsentiert.

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