Diskussion an der Berliner Schaubühne: Er arbeitet!

Ein chaotischer Abend: Daniel Cohn-Bendit, Hélène Kohl, Pascale Hugues und Elise Graton diskutieren über Frankreich nach und vor der Wahl.

Jemand klebt ein Macron-Plakat auf

Im Mittelpunkt des Interesses, auch in Berlin: Emmanuel Macron Foto: ap

Es war ein hitziger, emotionsgeladener Abend in der Schaubühne. Nach der ersten Runde der Wahl in Frankreich und dem bevorstehenden Duell Marine Le Pen (Front National) gegen Emmanuel Macron (En Marche!) um die Präsidentschaft diskutierten am Mittwoch der deutsch-französische Politiker Daniel Cohn-Bendit und die in Berlin lebenden französischen Journalistinnen Hélène Kohl, Pascale Hugues und Elise Graton über das Wahlergebnis und mögliche Zukunftsszenarien, bevor Schaubühnen-Chef Thomas Ostermeier einen denkwürdigen Auftritt im eigenen Hause hatte. Aber dazu später.

Zu Beginn der Veranstaltung, die von Tania Martini und Andreas Fanizadeh aus der taz-Kulturredaktion moderiert wurde, äußerte sich Hélène Kohl besorgt: Trotz des „historischen“ Wahlergebnisses Marine Le Pens bliebe das Entsetzen darüber in der Bevölkerung aus. Habe ein Gewöhnungseffekt eingesetzt?

Pascale Hugues merkte an, aufgrund der drängenden Probleme des Landes wie der desaströsen wirtschaftlichen Lage bei gleichzeitiger Reformunfähigkeit, habe der hauptsächlich unterhaltsame Wahlkampf auf sie sehr zynisch gewirkt.

Cohn-Bendit sah im deutlichen Fokus auf Le Pen eine für ihn unverständliche „Faszination mit dem Horror“: „Le Pen wird den zweiten Wahlgang nicht gewinnen“, konstatierte er. Macron habe sich durchsetzen können, weil die traditionellen Parteien in Frankreich am Ende seien und er versuche, Rechts-links-Schemata auszuhebeln: „Macron ist nicht weder links noch rechts, sondern in vielen Positionen beides zusammen“.

Keine Kompromisse gewohnt

taz-Kolumnistin Graton beobachtete in Paris das Wiedererstarken der Nuit-debout-Bewegung. Den Eindruck einer in der französischen Bevölkerung vorherrschenden Hoffnungslosigkeit konnte sie nicht bestätigen: „Ich sehe viel Potenzial für eine partizipatorische Politik.“ Bezogen auf Macron und dessen Selbstdarstellung erklärte Kohl: „Die Franzosen sind keine Kompromisse gewohnt. Eine Koalition wäre an sich schon eine Revolution.“

Hugues merkte an, sollte Macron die Stichwahl gewinnen, würde er in jedem Fall nicht mit einem Auftrag des Volkes an die Macht kommen, da viele im bevorstehenden Wahlgang rein taktisch wählen würden. Als das Gespräch sich den WählerInnen des Front National zuwandte, stellte Graton fest, Frankreich sei – im Vergleich zu Deutschland – ein elitärerer Staat mit einer Klassengesellschaft.

Le Pen schaffe es, reale und imaginäre Eindrücke miteinander zu verbinden, so Cohn-Bendit, indem sie mit den Ängsten der Menschen arbeite. In Macron sieht er eine Herausforderung: „Er war der Erste, der mit Europafahnen kam. Er spricht die in Europa existierenden sozialen Ungerechtigkeiten an und zeigt einen starken Willen zur Veränderung, und er wird vor allem Deutschland klarmachen, dass es so mit Europa nicht weiter geht.“ Für Kohl gibt es dagegen einen ganz banalen Grund, sich für Macron auszusprechen: „Er arbeitet.“ Seit 15 Jahren herrsche nun bereits Dilettantismus in der französischen Politik, Macron ließe diesbezüglich hoffen.

Chaotisch wurde es, als Thomas Ostermeier eingriff und sich das Mikro der Moderatorin schnappte, um mit Cohn-Bendit eine hitzige Debatte zu beginnen. Der hatte den französischen Autor Didier Eribon kritisiert, der meint, es sei auch jetzt noch besser, nicht zu wählen. Ostermeier, der Eribons „Rückkehr nach Reims“ gerade für eine Inszenierung vorbereitet, inspirierte das zu einem Anti-Macron-Monolog. Der war so ausufernd, dass die Moderatoren ihm irgendwann das Mikrofon entzogen, um zu den Publikumsfragen übergehen zu können.

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