Diskussion über Härtefallkommission: Transparenter abschieben

CDU, Grüne und Linke sind offen für den Vorschlag von SPD-Fraktionschef Dressel, die Arbeit der Härtefallkommission transparenter zu machen. Das gefällt nicht allen.

Gnade vor Recht? Die Hamburger Abschiebepraxis ist seit Jahren heftig umstritten. Bild: dpa

Auf weitgehende Zustimmung trifft der Vorschlag von SPD-Fraktionschef Andreas Dressel, die Arbeit der parlamentarischen Härtefallkommission transparenter zu machen. Es lohne sich, über diese Initiative nachzudenken, ist der Tenor bei vier Fraktionen in der Bürgerschaft. Lediglich Martina Kaesbach (FDP) lehnt eine Lockerung ab. Allerdings betonten alle Fachsprecher auf Anfrage der taz, dass die vertrauliche Behandlung der persönlichen Umstände der Betroffenen „ein hohes und schützenswertes Gut“ sei.

Die Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder des Eingabenausschusses und der Härtefallkommission des Parlaments „hat eine Schutzfunktion“, sagt Antje Möller (Grüne), Mitglied in beiden Gremien. Wenn aber in Einzelfällen die Betroffenen die Kommission oder die Ausländerbehörde „von der Verschwiegenheitspflicht entbinden“, könnte das zu mehr öffentlicher Transparenz beitragen.

Auch Kersten Artus (Linke) glaubt, dass „die Vertraulichkeit in vielen Fällen hilfreich“ gewesen sei. Jedoch gebe es bei von der Härtefallkommission gebilligten Abschiebungen nach dem Ausländerrecht „keinen Druck, die Entscheidungen zu begründen“. Das könnte geändert werden, „wenn die Regeln dafür genau definiert werden“, so Artus.

Eingabenausschuss und Härtefallkommission sind zwei nicht öffentlich und vertraulich tagende parlamentarische Gremien, die Abschiebungen verhindern können.

Eingabenausschuss: Dieser Ausschuss behandelt Petitionen unterschiedlichster Art. Politisch brisant sind in der Regel nur die ausländerrechtlichen Eingaben.

Härtefallkommission: Dieses nach §23a des Ausländergesetzes eingerichtete Gremium kann Ausländern auf dem Gnadenweg zu einem Bleiberecht verhelfen, wenn die Vollziehung der Ausreisepflicht menschlich oder moralisch unerträglich wäre.

Beschlüsse: In Hamburg müssen als einzigem Bundesland Beschlüsse einstimmig sein, in Schleswig-Holstein zum Beispiel genügt die einfach Mehrheit.

SPD-Fraktionschef Dressel hatte im Interview mit der taz am Samstag vorgeschlagen, die Verschwiegenheitspflichten teilweise aufzuheben. „Vielleicht wären manche Sachverhalte transparenter, wenn eine kurze, sachliche Reaktion auf öffentlich geäußerte Vorhalte gestattet würde“, sagte Dressel. „Man kann darüber nachdenken, diese Vertraulichkeit mit Einwilligung der Betroffenen zu lockern“, so Dressel.

Anlass ist der Fall der fünfköpfigen Roma-Familie Racipovic, die Mitte Juli nach Serbien ausgewiesen worden war. Die Härtefallkommission der Bürgerschaft hatte einen Asylantrag abgelehnt, obwohl die Familie mit ihren drei in Hamburg geborenen Kindern als Musterbeispiel für Integration gilt.

Die 19-jährige Tochter Bonita hatte zum 1. August einen Ausbildungsplatz als Friseuse, die 16-jährige Tochter Selenora ist eine Einser-Schülerin, der 15-jährige Sohn Usko hätte im Herbst einen Platz an der Musikakademie bekommen, weil er musikalisch hochbegabt ist. Die beiden Jüngeren wurden zum Ende des Schuljahres sogar von SPD-Schulsenator Ties Rabe ausgezeichnet und drei Wochen später von SPD-Innensenator Michael Neumann abgeschoben.

Die Abschiebung „hatte nichts mit Gnadenlosigkeit zu tun, sondern mit rechtlichen Vorgaben“, sagte Dressel im Interview. Es sei verständlich, dass die Familie die Öffentlichkeit gesucht habe. Demgegenüber hätten sich die staatlichen Stellen aber nicht zu den Gründen ihrer Entscheidungen äußern dürfen. „Es wäre aber gut, wenn Sachverhalte vollständig bekannt sind“, sagte Dressel.

Darüber zu debattieren, findet Sören Schumacher „klug“. Der SPD-Abgeordnete und Vorsitzende der Härtefallkommission hält es für vorstellbar, dass eine behördliche Stellungnahme oder Erläuterung „mit Einwilligung der Betroffenen“ rechtlich ermöglicht würde. Auch Jörg Hamann (CDU), Mitglied der Härtefallkommission, ist „grundsätzlich offen“ für eine solche Debatte, „wenn es der Wahrheitsfindung dient“, so der Rechtsanwalt.

Lediglich Martina Kaesbach (FDP) stellt den Schutz von Daten und Persönlichkeitsrechten über Transparenz. „Wenn die Entscheidungen der Kommission öffentlich werden, verkommt das zum parteipolitischen Schlagabtausch“, fürchtet die Freidemokratin: „Das wäre nicht im Sinne der Betroffenen.“

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